Das Bundesministerium der Finanzen plant vor dem Hintergrund des seit 2018 laufenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens eine Neuregelung von § 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) „Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen“. Ein Diskussionsentwurf ging dem BVBC Ende Juli 2022 zu. Der Verband reagierte mit einer Stellungnahme im September 2022 (vgl. BVBC-News vom 02.09.2022). Der Mitte Mai 2023 darauf aufbauende Referentenentwurf wurde dem BVBC – im Gegensatz zum Diskussionsentwurf – nicht mehr vor Veröffentlichung zugesandt. Dennoch bezog BVBC-Präsident Jörg Zeyßig am 15. Juni 2023 Stellung und forderte die Bundesregierung zu umfangreicheren Reformierungen auf.
Stellungnahme: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister,
sehr geehrte Damen und Herren,
leider mussten wir feststellen, dass wir von Ihnen nicht vorab den Referentenentwurf „eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“ erhalten haben. Sie haben uns somit keine Gelegenheit zur rechtzeitigen Stellungnahme eingeräumt.
Wir sind sehr verwundert, dass Sie uns zwar den Diskussionsentwurf zur „Neuregelung § 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG)“ im Juli 2022 zugeleitet haben, auf den wir mit Schreiben vom 2. September 2022 ausführlich Bezug genommen haben, uns bei der Anhörung auf den darauf aufbauenden Referentenentwurf jedoch nicht mehr einbezogen haben. Wir gehen davon aus, dass Sie die folgenden Ausführungen aufgrund dieses Versäumnisses dennoch zur Kenntnis nehmen und bitten darum, diese in die weiteren Diskussionsprozesse einzubeziehen.
Zum Referentenentwurf mit Bearbeitungsstand vom 4. April 2023
Unsere 2022 auf den Diskussionsentwurf hin vorgetragenen Eingaben lässt der vorliegende Referentenentwurf unberücksichtigt. Um die grundsätzliche Problematik der inhärenten Inkohärenz des deutschen Steuerberatungsrechts jedoch zu lösen, sind weitreichendere Anpassungen notwendig. Wir möchten daher im Folgenden noch einmal auf die bereits benannten Problemfelder verweisen.
Referentenentwurf beseitigt die seitens der EU-Kommission vorgeworfene Inkohärenz des StBerG nicht
Die von der Europäischen Kommission festgestellte Inkohärenz des deutschen Steuerberatungsrechts wird mit den bloßen Änderungen durch § 4 und § 4 a StBerG nicht beseitigt. Vielmehr ist die Kritik der Kommission auch auf die Regelungen zu den aktuell in § 6 Nr. 4 und § 8 genannten Berufsgruppen zu übertragen. Schließlich bezweifelt die Kommission in ihrem Aufforderungsschreiben (S. 11, unten) auch, „dass alle vorbehaltenen Tätigkeiten derart komplex sind, dass sie unbedingt eine Vollqualifikation als Steuerberater erfordern“.
Mit den vorgeschlagenen Änderungen des Referentenentwurfs findet innerhalb des StBerG noch immer keine ausreichende Differenzierung nach der steuerrechtlichen Komplexität konkreter Tätigkeiten einerseits und der fachlichen Qualifikation der ausführenden Personen andererseits statt. Dies führt dazu, dass nach wie vor die Beschränkungen bzw. Verbote durch das StBerG weitreichender sind als sie für den kohärenten Schutz der Steuerrechtspflege notwendig wären.
StBerG ignoriert fachliche Qualifikation und steht im Widerspruch zu Art. 12 Abs. 1 GG
Obwohl der Referentenentwurf § 6 StBerG neu strukturiert, findet keine inhaltliche Änderung der aktuell in § 6 Nr. 4 festgelegten Regelungen statt. Auch künftig soll das StBerG daher nicht zwischen unterschiedlichen Berufsträger*innen differenzieren. Dies hat zur Folge, dass geprüfte Bilanzbuchhalter*innen und Steuerfachwirt*innen weiterhin im Umfang ihrer Befugnisse mit Buchhalter*innen gleichgestellt werden. Dabei belegen eben diese beiden Berufsgruppen durch ihre anspruchsvollen Prüfungen weitreichendere Qualifikationen, die sie als Angestellte zu gefragten Fachkräften machen.
Auf selbstständiger Basis ist es geprüften Bilanzbuchhalter*innen und Steuerfachwirt*innen jedoch nicht möglich, ihre Qualifikationen entsprechend anzubieten. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht vor über 40 Jahren klargestellt, dass Art. 12 Abs. 1 GG nicht zwischen dem selbstständig und dem unselbstständig ausgeübten Beruf unterscheidet.
Mit den Änderungen des Referentenentwurfs findet auch künftig kein Bezug zur fachlichen Qualifikation und Komplexität einzelner Tätigkeiten statt, weshalb die von der EU-Kommission gerügte Inkohärenz der Regelungen durch die vorgelegten Änderungen nicht beseitigt wird.
Ergebnis:
Für ausführlichere Darlegungen der aufgezeigten Problematiken sei auf unsere Stellungnahme vom 2. September 2022 verwiesen.
Weder die Änderungen des Diskussionsentwurfs noch diejenigen des Referentenentwurfs beseitigen die systematische Inkohärenz und Unverhältnismäßigkeit des deutschen Steuerberatungsrechts. Neben § 4 StBerG müssen auch die Ausnahmen nach § 6 Nr. 3 und 4 StBerG reformiert werden.
Aufgrund der Qualifikation der von uns vertretenen Berufsgruppen sowie der dieser entsprechenden Komplexität der folgenden Tätigkeiten, ist ein Verbot mit dem Schutz der Steuerrechtspflege oder der Verbraucher*innen nicht zu rechtfertigen.
- Erstellung und Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldung
- Einrichtung der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
- Durchführung vorbereitender Abschlussarbeiten
- Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung (nach § 4 Abs. 3 EStG)
- Bilanzerstellung (für Betriebe in der Größenordnung von § 267 Abs. 1 HGB)
Bereits 2005 hat die EU in ihrer Mitteilung an den Rat (KOM (2005) 405 vom 05.09.2005 – Follow-up zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen) festgestellt, dass es sich bei den Leistungsempfänger*innen nicht um Endverbraucher*innen, sondern vielmehr um Gewerbetreibende und andere Unternehmen handelt. Diese Gruppe benötigt nach Auffassung der Kommission jedoch keinen bzw. nur einen sehr begrenzten Regelungsschutz, da sie in der Lage sind, die Qualität der von ihnen angeforderten Leistungen zu beurteilen.
Selbstständige Bilanzbuchhalter*innen und Steuerfachwirt*innen bieten bereits heute ihre Leistungen auf dem Markt an. Es ist daher nicht erkennbar, warum potentielle Kund*innen nach einer Gesetzesänderung Probleme haben sollten, den Befugnisumfang ihrer Dienstleister*innen zu kennen, wenn sie diese Probleme heute nicht haben. Demzufolge ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass angestellte Bilanzbuchhalter*innen für ihre Arbeitgeber*innen sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit der Buchhaltung und den Steuern – angefangen von der Buchhaltung, über den Jahresabschluss bis hin zu den Steuererklärungen – erbringen dürfen und müssen, während ihre selbstständigen Kolleg*innen in ihren Befugnissen massiv eingeschränkt werden.
Aufgrund der unzureichenden Anpassungen durch den vorgelegten Referentenentwurf fordern wir die Bundesregierung daher zu umfangreicheren Reformierungen im vorgenannten Sinne auf.
Gerne stehen wir für weitere Beratungen mit unserer Fachexpertise zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
BUNDESVERBAND DER BILANZBUCHHALTER
UND CONTROLLER E.V.
Jörg Zeyßig
BVBC-Präsident
Die Stellungnahme als PDF downloaden.
Frühere Beiträge zum Thema:
- 17.10.2018 – EU-Kommission: Steuerberatungsgesetz nicht mit EU-Recht vereinbar
- 03.03.2020 – Mehr Rechte für selbstständige Bilanzbuchhalter: Finanzministerium signalisiert Gesprächsbereitschaft
- 14.07.2020 – Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission: Änderung des Steuerberatungsgesetzes soll bevorstehen
- 07.10.2020 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC richtet Appell an die EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC wendet sich mit Partnerverbänden an EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vorbehaltsaufgaben am Pranger: Der Steuerberater und sein verzweifeltes Ringen um Macht
- 18.08.2022 – Vertragsverletzungsverfahren: BMF legt Diskussionsentwurf zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vor
- 02.09.2022 – Änderungsentwurf zu § 4 StBerG: BVBC bezieht Stellung
- 12.10.2022 – Änderung des StBerG: BVMW und ULA unterstützen BVBC-Forderungen
- 01.12.2022 – Änderung des StBerG: EU-Kommission bewertet Kritik des BVBC am Diskussionsentwurf als „sehr hilfreich“
- 16.12.2022 – Aufruf: Schreiben Sie Ihren Bundestagsabgeordneten!