Im Rahmen regelmäßiger politischer Termine organisierte die Mittelstandsallianz, zu deren Gründungsmitgliedern der BVBC gehört, am 2. Juli eine Videokonferenz mit Dr. Rolf Möhlenbrock aus dem Bundesfinanzministerium (BMF). BVBC-Geschäftsführer Markus Kessel nutzte die Gelegenheit und sprach den Leiter der Steuerabteilung auf das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission an.
Es war der zweite Termin in diesem Jahr mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums (BMF), den die Mittelstandsallianz für den 2. Juli organisiert hat. Dr. Rolf Möhlenbrock, der die Steuerabteilung im BMF leitet, stand bei der Videokonferenz am Nachmittag den Verbänden Rede und Antwort. Genau vier Monate zuvor sprach BVBC-Geschäftsführer Markus Kessel bereits mit dem Abteilungsleiter, der die parlamentarische Staatssekretärin Sarah Ryglewski am 2. März zu dem Gesprächstermin der Mittelstandsallianz begleitet hatte (vgl. BVBC-News vom 03.03.). Kessel erkundigte sich zum damaligen Zeitpunkt u.a. nach dem aktuellen Stand des Vertragsverletzungsverfahrens (Nr. 2018/2171), das die Europäische Kommission im Sommer 2018 aufgrund der Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater gegen die Bundesregierung eingeleitet hat. Man könne jedoch keine inhaltlichen Angaben machen, hieß es. Schriftwechsel zwischen den Dienststellen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland unterlägen in laufenden Verfahren der Vertraulichkeit.
Auf die Unverhältnismäßigkeit der Vorbehaltsaufgaben angesprochen ging Möhlenbrock beim zweiten – wenn auch virtuellen – Aufeinandertreffen ausführlicher auf das aktuelle Verfahren ein. „Das sind spannende Themen. Zum Teil auch solche, die uns schon länger umtreiben“, setzte er an. “Sie werden ja wissen, dass der Katalog der Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater im Steuerberatunsgesetz EU-rechtlich sehr im Feuer steht – mit Blick auf die Dienstleistungsfreiheit.“ Weiter führte er aus, dass man sich mit der EU-Kommission seit mittlerweile drei Jahren in einer Phase der Diskussion befände. Die Rechtfertigung der Vorbehaltsaufgaben würde insbesondere aufgrund der in § 4 StBerG aufgeführten Ausnahmen in Frage gestellt. Insgesamt 16 Berufsgruppen werden dort aufgeführt, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind. Dazu gehören etwa:
- Notare
- Patentanwälte
- Verwahrer und Verwalter fremden Vermögens
- Unternehmer, die ein Handelsgewerbe betreiben
Die aufgeführten Berufsgruppen haben alle gemeinsam, dass sie weder einer behördlichen Genehmigung bedürfen noch Anforderungen an ihre fachliche Qualifikation gestellt werden. Die EU hält die Vorbehaltsaufgaben insbesondere aufgrund dieses Ausnahmekatalogs für inkohärent und unverhältnismäßig und forderte Deutschland zur Stellungnahme auf. Zum aktuellen Stand erklärte Möhlenbrock, es sei „glücklicherweise“ so, „dass wir uns derzeit in einer Gesprächsphase befinden, die uns vor einem Vertragsverletzungsverfahren schützen könnte. Die Vorstellung der Kommission geht aber in die Richtung, möglicherweise eine Änderung im Steuerberatungsrecht vorzunehmen, die diesen gesamten Katalog der Ausnahmen reduzieren würde. Die Tendenz geht also in eine andere Richtung als die, die Ihnen vor Augen steht. […] Am Ende werden wir überhaupt keine mindestens mal namentlich genannten Einrichtungen mehr haben, die noch im Beratungsgeschäft der Vorbehaltsaufgaben tätig sein werden. Das wird die Forderung der Kommission sein.“
Änderung des StBerG: Keine Ausnahmen mehr?
Was bedeutet das jedoch für die Forderungen des BVBC nach einer Erweiterung der Befugnisse selbstständiger Bilanzbuchhalter? Für Möhlenbrock stellt sich diese Frage zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Man käme in den Gesprächen mit der Europäischen Kommission nicht weiter, würde man nun eine weitere Ausnahmesituation schaffen, in der man selbstständigen Bilanzbuchhaltern gestatten würde, was sonst ausschließlich Steuerberatern vorbehalten sei. Es werde vermutlich darauf hinauslaufen, dass es weiterhin die Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater gebe und dass unter „bestimmten abstrakt beschriebenen Voraussetzungen“ davon abgewichen werden könne. So ergäbe sich „sowieso ein völlig neues Spiel“ für den Verband.
Möhlenbrock selbst kennt und versteht die Forderungen des BVBC – obgleich er die hohe Qualifikation von Bilanzbuchhaltern zu schätzen weiß, steht er einer Erweiterung der erlaubten Tätigkeiten reserviert gegenüber. Das läge vor allem an der Komplexität des Steuerrechts. Neben dem Vorwurf der Inkohärenz aufgrund des Ausnahmekatalogs (§ 4 StBerG) zweifelt die EU-Kommission in ihrem Schreiben an die Bundesregierung jedoch auch an, dass alle Vorbehaltsaufgaben derart komplex seien, dass sie eine Vollqualifikation als Steuerberater erforderten. Offen bleibt daher, welche Änderungen des StBerG vorgesehen sind, damit es zumindest zu einer Deregulierung für „Teil-Qualifizierte“ kommen wird.
Fraglich ist auch, wie mit früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) umgegangen werden wird. 1980 (BvR 697/77 – Finanzbuchhaltung) und 1982 (BvR 807/80 – Lohnbuchhaltung) hat das BVerfG die Einschränkungen des StBerG wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG für teilweise verfassungswidrig erklärt. Diese Entscheidungen haben zur heutigen Fassung des § 6 Nr. 4 StBerG geführt, in dem die dort aufgeführten Tätigkeiten ausdrücklich als selbständigen Buchhaltern erlaubte Hilfeleistungen in Steuersachen aufgeführt werden.
Nächste Videokonferenz mit Tanja Mildenberger (BMF)
Am Donnerstag, 16. Juli, steht bereits eine weitere Videokonferenz der Mittelstandsallianz mit einer Vertreterin des BMF an. Diesmal mit Tanja Mildenberger, Leiterin der Abteilung für Zoll, Umsatzsteuer und Verbrauchersteuern. „Wir werden an den 2. Juli anknüpfen und Antworten auf die offenen Punkte fordern. Es kann nicht sein, dass Gesetzesänderungen im Hinterstübchen verabredet werden und betroffene Berufsgruppen teilweise gar nicht angehört, geschweige denn einbezogen werden“, moniert Kenan Häberle, stellvertretender BVBC-Geschäftsführer, der den Termin für den Verband wahrnehmen wird.