Für viele Bilanzbuchhalter ist die Selbstständigkeit, zum Beispiel als Interimsmanager, eine attraktive Alternative zur Anstellung. Doch was dürfen Sie, wenn Sie beispielsweise als Leiter Rechnungswesen eingesetzt werden, und wann können Sie mit den Befugnisbeschränkungen des Steuerberatungsgesetzes in Konflikt geraten? Diese Fragen beantwortete Rechtsanwalt Matthias Pruns in der Juliausgabe der Verbands- und Fachzeitschrift BC - Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling.
Rechtsexperte Pruns steht dem Verband und seinen Mitgliedern bereits seit Jahren beratend zur Seite und hat sich durch seine Expertise auf dem Gebiet des Berufsrecht der selbstständigen Bilanzbuchhalter bereits einen Namen gemacht. Er weiß, dass viele Angelegenheiten, die für die Praxis von grundlegender Bedeutung sind, gerichtlich oder auch in der Fachliteratur noch kaum behandelt worden sind. Der Jurist weist deshalb explizit darauf hin, dass seine Ausführungen unter dem Vorbehalt erfolgen, dass sie allein seine Rechtsauffassung wiedergeben.
1. Ausgangslage*
Das Steuerberatungsgesetz (StBerG) verbietet die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen durch solche Personen, die nicht dazu befugt sind (§§ 2, 5 StBerG).
Bilanzbuchhalter sind nur ausnahmsweise und in einem beschränkten Umfang zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Ihre Befugnisse beschränken sich insbesondere auf
- das Buchen laufender Geschäftsvorfälle,
- die laufende Lohnabrechnung und
- das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen (§ 6 Nr. 4 StBerG).
Zu einem Konflikt mit dem Steuerberatungsgesetz kann es im Rahmen der Tätigkeit eines Interimsmanagers mithin dann kommen, wenn Interimsmanager bei ihrer Tätigkeit geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die über diese Befugnisse hinausgehen.
2. Begriff der Hilfe in Steuersachen
Allgemeine organisatorische Maßnahmen oder Maßnahmen zur Restrukturierung und Sanierung eines Unternehmens – typische Aufgabengebiete eines Interimsmanagers – stellen für sich genommen noch keine Hilfeleistung in Steuersachen dar.
a) Erfasste Tätigkeiten
Allerdings ist der Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen sehr weit auszulegen. Er umfasst jede Beratung, Unterstützung und Vertretung eines Steuerpflichtigen bei dessen steuerlichen Angelegenheiten. Insbesondere gehört dazu jede Hilfe bei der Erstellung der Buchführung, einschließlich der Handelsbilanzen. Ein im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens eines Unternehmens tätiger Bilanzbuchhalter führt in aller Regel solche Aufgaben aus, die auch über den Kreis der Befugnisse gemäß § 6 Nr. 4 StBerG hinausgehen.
b) Hilfeleistung = Tätigkeit in fremden Angelegenheiten
Weitere Voraussetzung der Hilfeleistung in Steuersachen ist es aber auch, dass man in einer fremden Angelegenheit Hilfe leistet. In eigenen Angelegenheiten kann man – das folgt bereits aus dem Wortlaut – keine Hilfe in Steuersachen leisten.
Eine „eigene“ Angelegenheit erledigt auch der Arbeitnehmer im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber. Genauer gesagt: Der Arbeitgeber bedient sich des Arbeitnehmers, um seine eigenen steuerlichen Angelegenheiten zu regeln. Darüber hinaus leisten auch gesetzlich und rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter keine Hilfe in Steuersachen, also beispielsweise der Geschäftsführer nicht für die von ihm vertretene GmbH. Dasselbe gilt für die Unterstützung in steuerlichen Angelegenheiten zwischen rechtlich selbstständigen, aber miteinander verbundenen Unternehmen, also beispielsweise für die zentrale Steuerabteilung eines Konzerns.
Allgemein ausgedrückt stellt sich die Hilfeleistung mithin als eine Tätigkeit dar, „die gegenüber einer anderen Person oder Einrichtung erbracht wird, in die der Hilfeleistende nicht eingegliedert ist“.
Der im Bereich Finanz- und Rechnungswesen eines Unternehmens als Angestellter tätige Bilanzbuchhalter übt somit keine Hilfe in Steuersachen aus, weshalb es auch nicht zu einem Konflikt mit dem StBerG kommen kann.
Was gilt aber für den nicht im Unternehmen angestellten Interimsmanager? Ist seine Tätigkeit nicht gerade aufgrund seiner Selbstständigkeit eine geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen? Und verstößt er durch seine Tätigkeit dann nicht auch gegen das StBerG?
3. „Eingliederung“ auch bei Leiharbeit?
Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir den Begriff der „Eingliederung“ in das Unternehmen näher betrachten. Interimsmanager werden in aller Regel
- entweder aufgrund eines unmittelbar mit dem Unternehmen geschlossenen Dienst- oder Werkvertrags tätig,
- oder sie werden als Erfüllungsgehilfen eines Personalvermittlers tätig, das mit dem entleihenden Unternehmen einen Dienst- oder Werkvertrag geschlossen hat.
Für den Fall der Personalvermittlung hat das OLG Dresden in einem Urteil aus dem Jahr 1999 zu folgendem Leitsatz gefunden: „Gegen das Verbot, geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen zu leisten, ohne zu den in den §§ 3, 4 StBerG genannten Befugnisträgern zu gehören, verstößt nicht nur derjenige, der selber diese Hilfe leistet, sondern auch derjenige, der eigene Arbeitnehmer zur Erbringung einer solchen Hilfeleistung vertraglich an andere Unternehmer ausleiht.“ In der Begründung seines Urteils setzt sich das OLG Dresden dann ausführlich damit auseinander, ob die in dem von ihm zu entscheidenden Fall verliehenen Arbeitnehmer in die Unternehmen der Entleiher eingegliedert wurden oder nicht. Dafür stellt das Gericht vor allem auf den schon oben angesprochenen Umstand ab, dass die verliehenen Arbeitskräfte nicht Arbeitnehmer der entleihenden Unternehmen werden. So ist es, wie oben bereits dargestellt wurde, auch bei den Interimsmanagern. Den Umstand, dass die verliehenen Arbeitskräfte nicht Arbeitnehmer der Entleiher werden, wertet das Gericht als ein gewichtiges Indiz für eine (verbotene) Hilfe in Steuersachen durch den Personalvermittler.
Das Gericht stellt aber auch noch eine ergänzende Überlegung an und zieht in Betracht, dass eine Eingliederung in das entleihende Unternehmen auch im Falle einer selbstständigen Tätigkeit erfolgen kann:
„Aber auch für den Fall, daß dieses Fehlen eines Arbeitsverhältnisses allein – wie bei Art. 1 § 6 RBerG (vgl. Rennen/Caliebe, RBerG, 2. Aufl., Art. 1 § 6 Rn. 4) – die Hilfeleistung nicht bereits als selbständig und deshalb geschäftsmäßig erscheinen ließe, entspricht diese Tätigkeit in Anbetracht der Vielzahl von Überlassungen eines Leiharbeitnehmers der Bekl. an mehrere Entleiher dem Berufsbild eines selbständig steuerrechtlich Hilfe Leistenden. Die steuerrechtliche Tätigkeit dieser Leiharbeitnehmer stellt dadurch, daß sie für eine Vielzahl von Personen und Unternehmen erbracht wird, eine Umgehung des Verbots der unzulässigen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen dar (vgl. BFH v. 9.6.1970, VII R 20/67, BFHE 99, 344, 347; Lohmeyer, DStZ 1980, 167, 171 f. m.w.N.).“
Das Gericht relativiert hier also die Bedeutung der Stellung als Arbeitnehmer für die Frage nach der Eingliederung in das Unternehmen und stellt darauf ab, dass in dem von ihm zu entscheidenden Fall die „Tätigkeit [der verliehenen Buchhaltungskräfte] in Anbetracht der Vielzahl von Überlassungen [...] an mehrere Entleiher dem Berufsbild eines selbstständig steuerrechtlich Hilfe Leistenden“ entspricht.
Im Fall des Interimsmanagements ist der Sachverhalt – in aller Regel – anders gelagert. Ein Interimsmanager wird nicht in kurzen Abständen und auf Stundenbasis für mehrere Auftraggeber gleichzeitig tätig, sondern in der Regel nur für einen Auftraggeber auf einmal, und zwar für einen mehrere Wochen oder sogar eher Monate dauernden Zeitraum. Dort wird er zwar auf der Basis eines Dienst- oder Werkvertrags projektbezogen tätig. Seine Tätigkeit entspricht aber durchaus der eines angestellten Mitarbeiters.
Dass es auf die Frage der Selbstständigkeit der ausgeübten Tätigkeit nicht ankommen kann, zeigt sich auch, wenn man ergänzend zum Begriff der Hilfeleistung auch den Begriff der Geschäftsmäßigkeit nach dem StBerG näher betrachtet.
4. Geschäftsmäßigkeit = Selbstständigkeit?
Man könnte auf den Gedanken kommen, die Geschäftsmäßigkeit nach dem StBerG mit der Selbstständigkeit im Sinne des Arbeits- und Sozialrechts gleichzusetzen. Jeder „Selbstständige“ oder „freie Mitarbeiter“, der Hilfe in Steuersachen leistet, täte dies dann auch geschäftsmäßig.
Diese Gleichsetzung wird zumindest auf den ersten Blick bestätigt, wenn man die Definition der Geschäftsmäßigkeit in den gängigen Kommentaren zum StBerG nachschlägt. Dort kann man beispielsweise lesen: „Geschäftsmäßigkeit der Hilfeleistung ist anzunehmen, wenn diese in selbstständiger Tätigkeit und zugleich mit der Absicht der Wiederholung gleichartiger Leistung erfolgt.“ Und weiter heißt es: „Selbständig ist die Hilfeleistung, soweit sie weisungsfrei in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung erbracht wird.“
Das ähnelt den bekannten Kriterien, die für eine Selbstständigkeit im arbeits- und sozialrechtlichen Sinne sprechen. Als solche werden in der Regel genannt:
- keine Gebundenheit an Weisungen,
- in eigener unternehmerischer Verantwortung tätig,
- auf Honorarbasis tätig,
- Tätigkeit für mehrere Auftraggeber,
- keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers.
Dass der arbeits- und sozialrechtliche Begriff der Selbstständigkeit aber gerade nicht mit dem Begriff der Geschäftsmäßigkeit im StBerG gleichgesetzt werden kann, zeigt das Beispiel der freien Mitarbeit bei einem Steuerberater. Soweit diese freien Mitarbeiter weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig sind (vgl. § 17 BOStB), können auch sie – trotz ihrer Selbstständigkeit im arbeits- und sozialrechtlichen Sinne – für einen Steuerberater tätig werden.
So hat dann auch der BFH in einem Urteil aus dem Jahr 1995 Folgendes zur freien Mitarbeit eines Rechtsreferendars bei einem Steuerberater festgestellt (siehe Kasten, Hervorhebung nur hier).
„Der Schutzzweck des Verbots der unbefugten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 Abs. 1 StBerG) wird ... nur dann berührt, wenn der Berater selbständig im Sinne einer Eigenverantwortlichkeit und Weisungsunabhängigkeit handeln und dadurch die ... Interessen des Steuerpflichtigen oder der Allgemeinheit gefährden kann (...). Die Selbständigkeit im vorstehenden Sinne kann ebenso wie bei einem Angestellten, der auf Weisungen seines Dienstherrn handelt und für dessen Tun der Dienstherr die Verantwortung übernimmt, auch bei einem ,freien Mitarbeiter’ eines Steuerberaters fehlen. Denn es entspricht sowohl 314 Auf den .Punkt gebracht BC 7/2016 der regelmäßigen und ordnungsgemäßen Erfüllung des Mandats als auch der Berufspflicht eines Steuerberaters, daß dieser, wenn er sich zur Erfüllung seiner Pflichten gegenüber den Mandanten und gegenüber der Finanzbehörde eines freien Mitarbeiters (statt eines Angestellten) bedient, dessen Tätigkeit (Arbeitsergebnis) überwacht und hierfür im Außenverhältnis die Verantwortung übernimmt. Die Frage, ob eine verbotene geschäftsmäßige – d.h. selbständige – Hilfeleistung in Steuersachen vorliegt, die nicht als berufspraktische Zulassungsvoraussetzung für die Steuerberaterprüfung anerkannt werden kann (§§ 5, 36 StBerG), kann deshalb unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser Vorschriften in den Fällen, in denen es um Mitarbeiter von Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten geht, nicht allein danach beurteilt werden, ob diese arbeitsrechtlich oder steuerrechtlich als Arbeitnehmer oder als selbständig Tätige anzusehen sind.“
Es zeigt sich also: Die Geschäftsmäßigkeit im Sinne des StBerG kann nicht mit der Selbstständigkeit im Arbeits- oder Steuerrecht gleichgesetzt werden, und Geschäftsmäßigkeit im Sinne des StBerG liegt nur dann vor, wenn selbstständig im Sinne einer Eigenverantwortlichkeit und Weisungsunabhängigkeit gehandelt wird und dadurch die Interessen des Steuerpflichtigen oder der Allgemeinheit gefährdet werden können.
Das entspricht der Wertung, zu der wir bereits oben bei der Untersuchung des Begriffs der Hilfeleistung gefunden haben. Wer in den Betrieb eines Unternehmens eingegliedert wird, unterliegt regelmäßig auch den projektbezogenen fachlichen Weisungen seines Auftraggebers. Die Eigenverantwortlichkeit ist nicht mit der eines Steuerberaters oder eines für mehrere Kunden tätigen Bilanzbuchhalters vergleichbar.
Ein Konflikt mit dem Selbstständigkeitsbegriff des Arbeits- und Sozialrechts folgt daraus nicht. So ist es gerade das Charakteristikum eines freien Dienstverhältnisses, dass „die zu leistenden Dienste nicht rahmenmäßig umschrieben, sondern vertraglich konkret festgelegt werden“. Der Interimsmanager als der Dienstverpflichtete berät seinen Kunden gerade nicht allgemein in Steuersachen und übernimmt nach außen hin Verantwortung für seine Arbeitsergebnisse. Vielmehr wird er vom Kunden im Rahmen eines im Vertrag möglichst konkret definierten Projekts beauftragt. Bei einem Interimsmanager liegt bei entsprechender Gestaltung des Vertrags nicht die Verantwortung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des ihn beauftragenden Unternehmens.
5. Zusammenfassung
Die typische Tätigkeit eines Bilanzbuchhalters als Interimsmanager im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens steht nicht mit den Befugnisbeschränkungen des StBerG in Konflikt. Seine Tätigkeit ist keine geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen.
Hierfür könnte zwar auf den ersten Blick die arbeits- und sozialrechtliche Selbstständigkeit der Tätigkeit des Interimsmanagers sprechen. Allerdings sind weder der Begriff der Hilfeleistung noch der Begriff der Geschäftsmäßigkeit im Sinne des StBerG mit dem der Selbstständigkeit nach dem Arbeits- und Sozialrecht gleichzusetzen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass ein Interimsmanager in das Unternehmen eingegliedert wird und dieser zumindest fachlich nicht völlig frei von Weisungen und eigenverantwortlich handelt, wie es ein Steuerberater täte. Vielmehr erfüllt er eine durch den Dienst- oder Werkvertrag näher konkretisierte spezifische Aufgabe im Unternehmen, die auch von einem angestellt tätigen Bilanzbuchhalter ausgeführt werden könnte.
*„Ersterscheinung in ‚BC – Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling’, Heft 7/2016, Leser fragen – Experten antworten: Interimsmanagement: Befugnisse selbstständiger Bilanzbuchhalter, Seiten 312 bis 315, mit freundlicher Genehmigung der BC-Redaktion, Verlag C.H.BECK oHG, München (www.bc-online.de)“