Bundestag berät erstmals über Gesetzentwurf zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes
Am 12. Oktober hat der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“ (20/8669) beraten. Grüne, Linke und AfD haben sich für die Erweiterung der Befugnisse selbstständiger Finance-Profis eingesetzt.
Nachdem die EU-Kommission 2018 aufgrund inkohärenter Regelungen des StBerG zur Hilfeleistung in Steuersachen ein Vertragsverletzungsverfahren (2018/2171) gegen Deutschland in die Wege geleitet hat, hat das Bundesfinanzministerium im Juli 2022 erstmals einen Diskussionsentwurf mit möglichen Änderungen veröffentlicht. Weder dieser noch der im Mai 2023 folgende Referentenentwurf sah jedoch Änderungen an den in § 6 StBerG geregelten Befugnissen für selbstständige Bilanzbuchhalter*innen und andere Finance-Profis vor. Das ist auch nicht anders bei dem nun im Bundestag zu verhandelnden Gesetzentwurf der Bundesregierung, da dieser dem Referentenentwurf entspricht.
„Leider hat unser Ansinnen – die dringend notwendige Befugniserweiterung für unsere selbstständigen Mitglieder – scheinbar keinen so hohen Stellenwert bei den Kabinettsbesprechungen eingenommen“, bedauert BVBC-Geschäftsführer Kenan Häberle. „Ansonsten hätte sich die Regierung für Änderungen an dem Entwurf des BMF aussprechen müssen. Schließlich haben mit der SPD und den Grünen zwei der drei regierenden Parteien dafür plädiert, dass bei der aktuellen Gesetzänderung auch über die Befugnisse selbstständiger Bilanzbuchhalter*innen zu entscheiden sei.“
BVBC bittet Mitglieder um Unterstützung und stellt Musterschreiben zur Verfügung
Der BVBC hat während der letzten Monate zahlreiche Gespräche geführt – sowohl mit Abgeordneten als auch mit Vertreter*innen der EU-Kommission und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), die sich ebenfalls für eine Erweiterung der erlaubten Tätigkeiten selbstständiger Finance-Profis einsetzt. „Über diese Gespräche können wir nicht immer vollumfänglich und zeitnah berichten“, erklärt Häberle. „Viele davon finden vertraulich statt. Eine Berichterstattung mit Nennung der einzelnen Gesprächspartner*innen wäre letzten Endes vermutlich kontraproduktiv. So viel können wir jedoch sagen: Alle mit denen wir sprechen, äußern Verständnis für unsere Forderungen. Bis jedoch die ‚Parteimeinung‘ – also die bisherige Auffassung – sich tatsächlich ändert, bedarf es großer Beharrlichkeit.
Genau hierbei können uns unsere Mitglieder unterstützen: Bleiben Sie am Ball, nutzen Sie unsere neuen Musterschreiben und wenden Sie sich an die unterschiedlichen Parteien und vor allem an den Finanzausschuss! Unsere Forderungen dürfen nicht untergehen!“
CDU und FDP ignorieren BVBC-Forderungen, Grüne, Linke und AfD plädieren für Anpassungen
Bei der ersten Lesung im Bundestag hat sich die SPD mit Nadine Heselhaus in dieser Hinsicht jedoch nicht geäußert. Dabei teilte sie in vorigen Schreiben noch mit: „Im Zuge einer gesetzgeberischen Reaktion auf das Verfahren sollte aus Sicht der SPD-Fraktion auch über die Tätigkeiten entschieden werden, die selbständigen Bilanzbuchhaltern erlaubt sind.“
Auch Sebastian Brehm von der CSU sprach sich nicht in diese Richtung aus. „Damit war zu rechnen. Auf den letzten Metern blockierte die Union schon 2008 bei der achten Änderung des StBerG die darin eigentlich vorgesehene Befugniserweiterung“, erklärt Geschäftsführer Häberle.
Dafür sprach sich Klaus Stöber von der AfD insbesondere für eine Erweiterung von § 6 StBerG um die Umsatzsteuervoranmeldung aus: „Und dann gibt es die Gruppe der selbstständigen Buchhalter, die interessanterweise die Kontierung von Belegen und Lohnbuchhaltung vornehmen können, aber keine Umsatzsteuer-Voranmeldung erstellen dürfen. Ich hoffe, dass meine Kollegen mich jetzt nicht steinigen, aber ich finde das nicht mehr zeitgemäß. Ich denke mal, wer in der Lage ist, Belege zu kontieren, entsprechend mit Vorsteuerabzug etc., kann auch eine Umsatzsteuer-Voranmeldung – wo ist da der qualitative Fortgang? – vornehmen. Ich denke, diese Regelung sollte man im Finanzausschuss noch mal diskutieren und gegebenenfalls anpassen.“
Grüne, Linke und FDP gaben Reden jeweils zu Protokoll. Auch die beiden ersteren beziehen zur möglichen Befugniserweiterung Stellung. So schreibt Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen):
„Eine weitere überlegenswerte Öffnung des Steuerberatungsgesetzes sollten wir im weiteren parlamentarischen Verfahren durchaus noch mal diskutieren: die Schaffung der Möglichkeit, dass zukünftig bestimmte Aufgaben, die bisher im Auftrag nur von Steuerberaterinnen oder Steuerberatern erledigt werden können, auch von selbstständigen Bilanzbuchhalterinnen und Bilanzbuchhaltern übernommen werden, zum Beispiel die Anfertigung von Umsatzsteuervoranmeldungen. Hierzu werden Bilanzbuchhalterinnen und -buchhalter ausgebildet, und sie dürfen diese Tätigkeit auch ausüben, wenn sie in einer Steuerkanzlei oder bei einem Unternehmen in der Steuerabteilung arbeiten, was in der Praxis auch sehr oft vorkommt.
Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hat Deutschland ein sehr striktes Regime. Andere EU-Staaten sind hier deutlich liberaler und wettbewerbsfreundlicher.
Ich befürworte daher sinnvolle Änderungen, die zu weniger Bürokratie führen, aber gleichzeitig eine ordnungsgemäße Anwendung der Handels- und Steuergesetze sicherstellen. Grundsätzlich ist der Erhalt der Vorbehaltsaufgaben, also der Tätigkeiten, die im Wesentlichen nur von Steuerberatern und Steuerberaterinnen durchgeführt werden dürfen, an einigen Stellen richtig. Allerdings ist dies aus meiner Sicht nur da notwendig, wo es um den besonderen Schutz der Mandantinnen und Mandanten geht. Wo der Schutzbedarf im Vergleich zur freien Berufsausübung nicht höher zu gewichten ist, wie beispielsweise bei der Erstellung von Lohnsteuerbescheinigungen und Umsatzsteuervoranmeldungen, halte ich Anpassungen, insbesondere zur Schaffung einer EU-konformen Rechtslage, für bedenkenswert.“
Noch direkter setzt sich Janine Wissler (Die Linke) für selbstständige Bilanzbuchhalter*innen ein: „Der vorliegende Gesetzentwurf soll ein EU-Vertragsverletzungsverfahren beenden, in dem die EU-Kommission das deutsche Steuerberatergesetz kritisiert. Demnach seien die Regeln, wer wen wie geschäftsmäßig in Steuerfragen unterstützen darf, unsystematisch und inkohärent. Das will die Bundesregierung nun neu regeln; sie macht dabei sicher Fortschritte, aber wir sind nicht sicher, ob der Gesetzentwurf die teilweise sicher berechtigte EU-Kritik wirklich ausräumen kann.
Zentral ist bis heute die fehlende Unterscheidung beim Komplexitätsgrad steuerrechtlicher Tätigkeiten und der dafür nötigen Qualifikationen. In der Folge kommt es daher zu ungerechtfertigten Barrieren, wenn zum Beispiel identisch qualifizierte Bilanzbuchhalterinnen und -buchhalter als Angestellte bestimmte Tätigkeiten ausführen dürfen, die ihnen als Selbständige verboten sind. Dabei ist das Problem seit Jahren bekannt und nicht zuletzt ein Verteilungskonflikt um Geschäftsfelder und Kundschaft.
Bilanzbuchhalter sind meist als Angestellte tätig, während die Mehrzahl der Bilanzbuchhalterinnen freiberuflich arbeitet. Hintergrund sind die weiterhin bestehenden Geschlechterrollen; denn die meisten Bilanzbuchhalterinnen gehen ihrem Beruf mit flexiblen Arbeitszeiten in Teilzeit nach, weil sich das besser mit der Familienarbeit in Einklang bringen lässt. Die angestellten Bilanzbuchhalter arbeiten hingegen überwiegend in Vollzeit mit weniger Arbeitszeitflexibilität.
Diese Ungleichbehandlung wird auch im vorliegenden Gesetzentwurf fortgeschrieben; er benachteiligt selbstständige Bilanzbuchhalterinnen und -buchhalter sowie Steuerfachwirtinnen und Steuerfachwirte weiterhin. Während ihre abhängig beschäftigten Kolleginnen und Kollegen bei entsprechender Zusatzqualifikation Aufgaben wie Jahresabschlüsse oder Umsatzsteuervoranmeldungen bearbeiten dürfen, ist das den Selbstständigen trotz gleicher Qualifikation verwehrt. Damit entwerten Sie nicht nur die Qualifikationen dieser Menschen; Sie verstoßen auch seit 15 Jahren gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Selbstständige in diesem Punkt den abhängig Beschäftigten gleichstellt.“
Zeitplan: Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht vor 2024
Nach aktuellem Stand soll im Dezember eine öffentliche Anhörung mit Verbänden stattfinden. Der dann gegebenenfalls angepasste Entwurf soll schließlich nicht vor Februar 2024 beschlossen werden. „Selbstverständlich machen wir uns stark dafür, dass auch der BVBC im Dezember mit angehört wird. Wenn sich inzwischen vier von sechs im Bundestag vertretenen Fraktionen dafür ausgesprochen haben, dass jetzt der Zeitpunkt ist, an dem auch über die Befugnisse für selbstständige Bilanzbuchhalter*innen zu sprechen ist, sollten unsere Forderungen nicht untergehen dürfen“, betont Häberle.
Frühere Beiträge zum Thema:
- 17.10.2018 – EU-Kommission: Steuerberatungsgesetz nicht mit EU-Recht vereinbar
- 03.03.2020 – Mehr Rechte für selbstständige Bilanzbuchhalter: Finanzministerium signalisiert Gesprächsbereitschaft
- 14.07.2020 – Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission: Änderung des Steuerberatungsgesetzes soll bevorstehen
- 07.10.2020 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC richtet Appell an die EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC wendet sich mit Partnerverbänden an EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vorbehaltsaufgaben am Pranger: Der Steuerberater und sein verzweifeltes Ringen um Macht
- 18.08.2022 – Vertragsverletzungsverfahren: BMF legt Diskussionsentwurf zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vor
- 02.09.2022 – Änderungsentwurf zu § 4 StBerG: BVBC bezieht Stellung
- 12.10.2022 – Änderung des StBerG: BVMW und ULA unterstützen BVBC-Forderungen
- 01.12.2022 – Änderung des StBerG: EU-Kommission bewertet Kritik des BVBC am Diskussionsentwurf als „sehr hilfreich“
- 16.12.2022 – Aufruf: Schreiben Sie Ihren Bundestagsabgeordneten!
- 04.05.2023 – Mehr Befugnisse: Freiheit first. Bedenken second.
- 15.06.2023 – Referentenentwurf zur Änderung des StBerG: BVBC sendet Stellungnahme ans BMF
- 21.06.2023 – Aufruf: Wenden Sie sich mit neuen Musterschreiben an Ihre Abgeordneten!