Referentenentwurf zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes ignoriert BVBC-Forderungen
Fast fünf Jahre nach dem Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens (2018/2071) gegen die Bundesrepublik Deutschland legt das Bundesfinanzministerium nun einen Referentenentwurf zur Änderung des StBerG vor.
Auf den Diskussionsentwurf folgt der Referentenentwurf: Am 15. Mai hat das Bundesfinanzministerium (BMF) seine Vorstellungen von einem "Gesetz zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe" veröffentlicht. Der BVBC berichtete zuvor von dem vorhergehenden Diskussionsentwurf und seiner daraufhin verfassten Stellungnahme (vgl. BVBC-News vom 18.08.2022, 02.09.2022, 12.10.2022, 01.12.2022).
Hintergrund der geplanten Gesetzesänderung ist das Vertragsverletzungsverfahren (2018/2171) der Europäischen Kommission, die die Regelungen des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als inkohärent beurteilt. Bei ihrer Kritik geht die Kommission vor allem auf § 4 StBerG ein, da dort eine Vielzahl unterschiedlicher Personengruppen abschließend aufgezählt ist, die in beschränktem Umfang zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Sie bezweifelt jedoch ferner grundsätzlich, „dass alle vorbehaltenen Tätigkeiten derart komplex sind, dass sie unbedingt eine Vollqualifikation als Steuerberater erfordern“ (Aufforderungsschreiben zum Vertragsverletzungsverfahren 1018/2171, S. 11).
Dieser Auffassung schließt sich der BVBC an und fordert in seiner sich auf den Diskussionsentwurf beziehenden Stellungnahme umfangreiche Änderungen, insbesondere hinsichtlich § 6 StBerG. „Der nun veröffentlichte Referentenentwurf ignoriert unsere Forderungen komplett. Das ist für sich genommen bereits äußerst ärgerlich. Das Vorgehen des BMF macht mich jedoch wirklich sprachlos“, erklärt BVBC-Geschäftsführer Kenan Häberle. „Während das Ministerium uns den Diskussionsentwurf im letzten Jahr noch frühzeitig mit der Bitte um Stellungnahme und Beantwortung einzelner Fragen zukommen ließ, wurden wir nun bei der Aussendung des Referentenentwurfs komplett übergangen.“
Im Gegensatz zu anderen Organisationen bekam der BVBC den Referentenentwurf nicht vor Veröffentlichung zugesandt. Damit einhergehend hatte der Verband auch keine Gelegenheit zur fristgerechten Stellungnahme. „Das kann ich nur als umgekehrten Lobbyismus verurteilen“, kritisiert Häberle. „Es kann nicht angehen, dass Meinungen, die nicht gehört werden wollen, auch gar nicht mehr erst eingeholt werden.“
Der BVBC ließ es sich jedoch nicht nehmen, dem BMF dennoch eine zweite Stellungnahme (vgl. BVBC-News vom 15.06.2023) zuzusenden, in der er erneut um Beachtung seiner Forderungen bat. Diese umfassen insbesondere:
- Erstellung und Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldung
- Einrichtung der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
- Durchführung vorbereitender Abschlussarbeiten
- Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung (nach § 4 Abs. 3 EStG)
- Bilanzerstellung (für Betriebe in der Größenordnung von § 267 Abs. 1 HGB)
Die Parteien scheinen sich indes in der Frage nach dem notwendigen Umfang der Änderungen noch nicht einig zu sein. Während FDP und CDU/CSU darauf verweisen, dass sich die Kritik der EU-Kommission nicht auf § 6 StBerG beziehen würde und weiterer Anpassungsbedarf aktuell nicht gegeben sei, schreiben SPD und Grüne insbesondere als Reaktion auf die Musterschreiben, die der BVBC zur Verfügung stellt und mit denen sich Mitglieder in den letzten Monaten an ihre Abgeordneten gewandt haben, dass sie die Belange selbstständiger (Bilanz-)Buchhalter durchaus in einer Gesetzesänderung inbegriffen wissen möchten.
Aufruf: Werden Sie aktiv und konfrontieren Sie die Parteien mittels neuer Musterschreiben
Lassen Sie nicht locker. Fragen Sie die Parteien, weshalb der aktuelle Referentenentwurf die Belange selbstständiger (Bilanz-)Buchhalter ignoriert, fragen Sie, wie sich SPD und Grüne für Änderungen einsetzen möchten, fragen Sie, weshalb sich CDU/CSU und FDP auf Pseudoschutzargumente zurückziehen und damit nur Klientelpolitik betreiben.
Vorlagen für Selbstständige:
- Muster: SPD | Grüne | Linke
- Muster: FDP
- Muster: CDU/CSU
Leicht angepasste Vorlagen für Angestellte:
- Muster: SPD | Grüne | Linke
- Muster: FDP
- Muster: CDU/CSU
Vorgehen:
Hier finden Sie die Kontaktdaten von Ihren Bundestagsabgeordneten. Um diese direkt zu kontaktieren, können Sie diejeweiligen Mailadressen hier herausfinden. Sie können die Adressen jedoch auch ganz einfach anhand folgenden Musters ermitteln: vorname.nachname@bundestag.de. Die Mitglieder des Finanzausschusses finden Sie hier im unteren Bereich der Seite.
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