Ende Juli dieses Jahres hat das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Entwurf zur Neuregelung der Befugnisse zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 4 des Steuerberatungsgesetzes vorgelegt. Der BVBC hat diesen nur wenig später in einer Stellungnahme als unzureichend beurteilt und Nachbesserungsbedarf geltend gemacht. Die Forderungen des Verbands haben seitdem auch die Unterstützung großer Partnerverbände erfahren. Mitte November ist schließlich ein Dankesschreiben der Europäischen Kommission eingegangen.
Der BVBC kritisiert das deutsche Steuerberatungsgesetz schon lange als zu restriktiv und setzt sich für mehr Befugnisse selbstständiger (Bilanz-)Buchhalter*innen ein. Doch auch auf europäischer Ebene stehen die nationalen Regelungen in Kritik. 2018 hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet, weil das deutsche Gesetz nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Im Fokus steht der in § 4 StBerG „Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen aufgeführte Ausnahmenkatalog, der einige zur „geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen“ befugt, Nichtgenannte jedoch kategorisch ausschließt. Beispielshaft stehen diese Ausnahmen für die Inkohärenz und Unverhältnismäßigkeit der aktuellen Rechtslage.
Über Gespräche und Verhandlungen zwischen Vertreter*innen der EU und Deutschland ist bis zuletzt kaum etwas nach außen gedrungen. Im August dieses Jahres hat das BMF jedoch einen ersten Diskussionsentwurf zur Neuregelung von § 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) vorgelegt. Der BVBC kritisiert die neuen Regelungen als unzureichend und fordert Ministerium und Bundesregierung in seiner daraufhin versandten Stellungnahme auf, „die grundlegende Systematik des StBerG umfassend zu überprüfen und im Sinne der Kritik der EU-Kommission anzupassen“.
Die Stellungnahme hat der Verband auch Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission zukommen lassen. Verbunden mit dem eindringlichen Appell, diese möge an ihren ursprünglichen Forderungen festhalten. Der BVBC mahnte, es dürfe nicht zu einer Scheinlösung kommen.
Unterstützung erhält der Verband auch vom "Bundesverband mittelständische Wirtschaft" (BVMW) sowie der „ULA – Deutscher Führungskräfteverband“, beides wirtschaftspolitische Schwergewichte in der Verbändelandschaft mit weitreichenden Netzwerken. Die langjährigen Partnerverbände des BVBC teilen die Forderungen nach umfangreicheren Änderungen des Steuerberatungsgesetzes und haben diese mit Nachdruck gegenüber ihren Kontakten in den Ministerien eingebracht. So ging allein von der ULA jeweils ein Schreiben zur Neuregelung von § 4 StBerG an alle 16 Finanzministerien heraus. Auf Bundesebene brachte der BVMW in persönlichen Gesprächen mit Vertreter*innen des BMF die Positionen des BVBC ein.
Reaktionen gab es von den Ministerien mit Ausnahme einer etwas ausführlicheren Eingangsbestätigung bisher keine. Letztere resümiert: „Die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens werden durch das BMF ausgewertet und alsdann die Grundlage für eine weitere Erörterung auf Bund-Länder-Ebene bilden.“
Vielsagender fiel indes die Resonanz der Europäischen Kommission aus, die dem BVBC Mitte November zuging und wörtlich von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beauftragt wurde. Die für das Vertragsverletzungsverfahren zuständige Abteilung bedankt sich in dem Schreiben für die übersandten Unterlagen des BVBC – die Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des BMF sowie das in 2015 beauftragte Gutachten zur „Verfassungswidrigkeit des Verbots des Anfertigens der Umsatzsteuervoranmeldung durch Buchhalter, geprüfte Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirte. Die „dort gemachten Erwägungen“ habe sie „mit großem Interesse gelesen“.
Weiter ist zu erfahren, dass die Kommission ihre Auffassungen zur geplanten Änderung des Steuerberatungsgesetzes Deutschland gegenüber bereits mitgeteilt habe. Dabei seien die Erläuterungen für das bestehende „Vertragsverletzungsverfahren und für die rechtliche Beurteilung der betreffenden Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes sehr hilfreich.“ Die EU-Kommission schließt ihr Schreiben mit der Bitte, sie auch künftig über aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich auf dem Laufenden zu halten.
Ein solch positives Schreiben sei nach Auskunft von BVBC-Rechtsanwalt Matthias Pruns sehr selten. Es lässt überdies durchscheinen, dass die Bestrebungen der Bundesrepublik durch marginale Gesetzesanpassungen das Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden, EU-seitig nicht auf Zustimmung stoßen sollten.
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Frühere Beiträge zum Thema:
- 17.10.2018 – EU-Kommission: Steuerberatungsgesetz nicht mit EU-Recht vereinbar
- 03.03.2020 – Mehr Rechte für selbstständige Bilanzbuchhalter: Finanzministerium signalisiert Gesprächsbereitschaft
- 14.07.2020 – Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission: Änderung des Steuerberatungsgesetzes soll bevorstehen
- 07.10.2020 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC richtet Appell an die EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC wendet sich mit Partnerverbänden an EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vorbehaltsaufgaben am Pranger: Der Steuerberater und sein verzweifeltes Ringen um Macht
- 18.08.2022 – Vertragsverletzungsverfahren: BMF legt Diskussionsentwurf zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vor
- 02.09.2022 – Änderungsentwurf zu § 4 StBerG: BVBC bezieht Stellung
- 12.10.2022 – Änderung des StBerG: BVMW und ULA unterstützen BVBC-Forderungen