Das Bundesministerium der Justiz bot dem BVBC die Möglichkeit, zum Referentenentwurf zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz, BEG IV) eine Stellungnahme abzugeben. Nachdem das Wissenschaftliche Institut des BVBC (WIB) ein entsprechendes Schreiben vorbereitet hatte, reichte der BVBC am Freitag, den 02.02.2024, folgende Stellungnahme ein:
A. Allgemeine Anmerkungen
Der Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) ist an einer zeitgemäßen und berufspraktischen Ausrichtung der Gesetze interessiert. Dabei erstreckt sich die Betrachtung auf die gesamte Wirkungsbreite des Rechnungswesens.
Darüber hinaus ergänzt das Wissenschaftliche Institut des Bundesverbandes der Bilanzbuchhalter und Controller (WIB)die berufliche Praxis und trägt spezifische Fragestellungen aus der Wirtschaft in die Wissenschaft und Forschung, um von dort aus Lösungsansätze im beiderseitigen Interesse zu generieren.
Mit dem vorliegenden Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz, BEG IV)werden sowohl aus Sicht des BVBC als auch des WIB wichtige und längst überfällige Schritte in die richtige Richtung gesetzt.
Der vorliegende Referentenentwurf wurde innerhalb der Expertenkreise beider Verbände diskutiert; die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt.
Verfasser:
- Manfred Gut, WIB-Vorstandsvorsitzender
- Lars Wohlfarth (Berichterstatter), WIB-Vorstandsmitglied sowie Fachautor
B. Anmerkungen zu den einzelnen Artikeln des BEG IV
Artikel 1: Handelsgesetzbuch
Die Anpassungen des Handelsgesetzbuches an die aktuellen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches durch dynamische Verweise werden befürwortet. Ebenso werden die im Rahmen der Digitalisierung dringend erforderlichen Änderungen von Schriftform in Textform begrüßt. Damit sind auch E-Mails und andere elektronische Kommunikationswege für wirksame Dokumentationen zulässig, wie etwa hinsichtlich § 437 HGB.
§ 257 HGB
Die Verkürzung der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten war auch in der Vergangenheit bereits Gegenstand von Fachdiskussionen. In den Kommentierungen und in der Fachliteratur wird dabei mit teils unterschiedlichen Auffassungen argumentiert.
Klar erkennbar ist entsprechend der Begründung des vorliegenden Regierungsentwurfes, dass bei einer Verkürzung der Aufbewahrungsfrist zunächst eine Entlastung der Unternehmen durch weniger vorzuhaltende Unterlagen eintritt. Ressourcen bei digitaler Belegarchivierung werden geschont. Der Umweltschutzgedanke spielt dabei selbstverständlich auch eine Rolle.
Praxishinweis:
Es ist zu erwarten, dass der handelsrechtliche Gewinn bei den betreffenden Unternehmen in diesem Zusammenhang steigt, da sich die „Rückstellungen für Aufbewahrungspflichten“ reduzieren.
Allerdings führt die Einführung einer neuen Frist für die Unterlagen nach § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB von acht Jahren zu einer weiteren Komplexität in der Datenhaltung. Hier wäre zu empfehlen, entweder auch die Unterlagen aus Nr. 1 nur acht Jahre vorhalten zu müssen oder die Frist von den in Nr. 4 genannten Unterlagen analog zu Nr. 2 und Nr. 3 auf sechs Jahre zu begrenzen.
Für wirtschaftsprüfungspflichtige Unternehmen sollte zur Herstellung des „Gleichklangs“ gesetzlicher Regelungen auch die Wirtschaftsprüfungsordnung (WPO) entsprechend angepasst werden. § 51b Abs. 2 Satz 1 WPO verpflichtet Wirtschaftsprüfer, ihre Handakten (§ 51b Abs. 4 WPO) für die Dauer von zehn Jahren nach Beendigung des Auftrags aufzuheben. Die Prüfungsakte (§ 51b Abs. 5 WPO) wird gemäß dem Wortlaut des § 51b Abs. 4 WPO nicht erfasst. Ihre Aufbewahrungsfrist richtet sich nach Art. 15 EU-APrVO. Soweit Arbeitspapiere im Rahmen der externen Qualitätskontrolle vorzulegen sind, gilt eine Aufbewahrung von bis zu sechs Jahren (§ 57a Abs. 2 Satz 4 WPO, vgl. Hense/Ulrich [Hrsg.]: WPO-Kommentar, 3. Aufl., § 51b, Tz. 23, 82). Das IDW schreibt zudem eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren vor (QS 1, Tz. 197).
Eine entsprechende Änderung ist in der aktuell vorliegenden Fassung des Referentenentwurfes zum BEG IV in Artikel 28 jedoch (noch) nicht vorgesehen. Es wird empfohlen, diese Regelungen zusätzlich an die geplante kürzere Aufbewahrungspflicht anzupassen.
Auch bestehen Zweifelsfragen bezüglich der Unterlagen zur Dokumentation von Bewertungseinheiten nach § 254 HGB, die in Nr. 4 neben den Buchungsunterlagen zur Klarstellung explizit mit aufgenommen werden sollten.
Praxishinweis:
Es sollte deutlich nach außen kommuniziert werden, dass es sich bei der Änderung der gesetzlichen Regelung lediglich um Buchungsbelege handelt (§ 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Andere Dokumente sind nach wie vor aufzubewahren (z.B. Unterlagen von Dauersachverhalten).
Artikel 3: Abgabenordnung
Die Abgabenordnung war zuletzt zahlreichen Änderungen im Rahmen des Wachstumschancengesetzes unterzogen worden. Ein Teil dieses Gesetzes wurde am 17.12.2023 verabschiedet und trat zum 01.01.2024 in Kraft. Der Finanzausschuss des Bundestages hat damit einstimmig einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zugestimmt, mit dem die bislang im Wachstumschancengesetz vorgesehenen Anpassungen der AO, des EGAO, der FGO und weiterer Steuergesetze an das MoPeG im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes mit Inkrafttreten am 01.01.2024 umgesetzt werden.
Die nun vorliegende beabsichtigte Änderung zieht folgerichtig handelsbilanzielle Regelungen in den steuerlichen Bereich der Buchführung und fokussiert sich dabei zutreffend auch lediglich auf die Buchungsbelege (§ 147 Abs. 1 Nr. 4 AO).
Wichtiger Hinweis:
Unverändert wurden die Verjährungsfristen des § 169 AO belassen. Bei steuerstrafrechtlichen Handlungen in Form von Steuerhinterziehung existiert eine Verjährungsfrist von zehn Jahren. Der Verdacht reicht dabei aus. Kommt es zu Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden, hat ein Steuerpflichtiger bei vorliegenden Verdachtsmomenten und verkürzten Aufbewahrungspflichten mangels Buchungsbelegen nicht mehr die Möglichkeit, seine Steuerehrlichkeit nachzuweisen. Er würde damit in Generalverdacht geraten. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen und hohe Steuerfestsetzungen durch die zuständige Ermittlungsbehörde wären die Folge.
Artikel 5: Umsatzsteuergesetz
Die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist von Rechnungen in § 14b UStG und § 26a UStG ist folgerichtig.
Anmerkung:
Der Zehnjahreszeitraum spielt auch beim Vorsteuerabzug bei Änderung der Nutzungsverhältnisse von Gebäuden innerhalb von zehn Jahren seit erstmaliger Verwendung eine Rolle. Hier würde es sich im Zuge der geplanten Gesetzesänderung anbieten, diesen aufwändig zu dokumentierenden Korrekturzeitraum ebenfalls auf acht Jahre zu verkürzen.
Artikel 27: Steuerberatungsgesetz
§ 3a Befugnis zu vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen
Steuerberater sehen sich derzeit mit vielen Herausforderungen konfrontiert und finden meist schwer oder gar kein qualifiziertes Personal. Im Ausland zur Hilfeleistung Befugte dürfen nach dieser Vorschrift vorübergehend auch im Inland (Deutschland) Beratungsdienstleistungen anbieten.
Angesichts des beschriebenen Personalnotstandes ist die Überlegung sachgerecht, an dieser Regelung auch die hochqualifizierte Berufsgruppe der geprüften Bilanzbuchhalter (IHK) und der geprüften Controller (IHK) teilhaben zu lassen.
Im Ausland (vgl. Österreich) sind geprüfte Bilanzbuchhalter per Gesetz befugt, Umsatzsteuer-Voranmeldungen zu erstellen, wodurch nicht zuletzt Steuerberatungskanzleien entlastet werden. Die im BVBC vertretenen Steuerberater bestätigen diese Entlastungswirkung.
Im Rahmen des vorliegenden Referentenentwurfes zum Bürokratieentlastungsgesetz IV sollte daher die Aufnahme entsprechender Zulassungsregelungen für Bilanzbuchhalter (IHK) geprüft und aufgenommen werden – dies würde auch die Entlastung der Berufsgruppe der Steuerberater bewirken.
Im Übrigen wird auf den Regierungsentwurf vom 26.07.2023 zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes verwiesen. Die darin vorgesehenen Anpassungen sollen zum 01.05.2024 in Kraft treten und könnten insoweit derzeit noch modifiziert werden.
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