Am 20. und 21. September fand in Köln die Digital X 2023, eine Veranstaltung zu den Themen Digitalisierung und Zukunft der Arbeitswelt, statt. Der BVBC war vor Ort, um sich über Chancen und Herausforderungen speziell für den Bereich Finanz- und Rechnungswesen zu informieren. Im Interview mit Janneke Eggert (Kommunikation und Marketing) erzählt Guido Großholz, welche Erkenntnisse er für seinen Berufsalltag mitgenommen hat und wie er die Zukunft des Rechnungswesens sieht.
Das Motto der Digital X war in diesem Jahr „Be digital. Stay human.“. Was verbinden Sie damit, gerade auch in Bezug auf die Zukunft der Arbeitswelt, einer der formulierten Megatrends, dem sich das Event verschrieben hat?
Guido Großholz: Die Digital X ist als digitale Fachmesse trotzdem sehr auf den persönlichen Kontakt ausgelegt, das hat mir gut gefallen. Es gibt zwar viele Fachvorträge, welche im Stream zu sehen sind, die meisten Besucherinnen und Besucher trifft man jedoch vor Ort. Die Digitalisierung, darauf geht ja der erste Teil des Mottos ein, vereinfacht in gewisser Hinsicht das Leben und die Arbeit – wenn man sich darauf einlässt. „Stay human“ nimmt Bezug auf den Ausgleich durch persönlichen Kontakt. Es ist praktisch, wenn wir uns mit einer Betriebsstätte in Brasilien per Videokonferenz abstimmen und austauschen können. Gerade in größeren Projekten erleichtert der persönliche Kontakt die Kommunikation allerdings enorm und wird wieder bei vielen Unternehmen regelmäßig genutzt.
Welche sogenannten Megatrends sehen Sie?
Als Megatrends wurden bei der Digital X insbesondere das Internet-of-things, Cyber Security und „future work“ ausgerufen, die ich aber nicht unbedingt als neue Trends sehe.
Die Digitalisierung im Allgemeinen wird hingegen, vor allem seit Corona, in vielen Bereichen vorangetrieben und zieht sich inzwischen durch alle Geschäfts- und Gesellschaftsprozesse. Beispiele sind etwa die Baustelleninventur per Handy-App oder auch das neue Deutschland-Ticket, welches vorzugsweise digital in der DB App gebucht wird.
Was raten Sie Unternehmen in Bezug auf das Thema Digitalisierung? Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?
Unternehmen, wie auch Privatpersonen, sollten sich meiner Meinung nach verstärkt mit dem Thema Cybercrime auseinandersetzen. Ob der digitale Enkeltrick per WhatsApp, CEO fraud, Identitätsdiebstahl oder auch der Anruf vom vermeintlichen IT Support, überall muss man ähnlich aufpassen wie im dichten Gedränge in der U-Bahn oder bald wieder auf dem Weihnachtsmarkt.
In der Zukunft, aber auch bereits jetzt, werden wir zudem einen Umgang mit dem demografischen Wandel finden müssen. Gerade ältere Menschen bilden einen großen und vor allem wirtschaftlich starken Markt. Wie kann dieser mit digitalen Medien und Angeboten „seniorengerecht“ erschlossen werden? Welche Gadgets machen Sinn und unterstützen eventuell im Alltag?
Als geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und MBA-Absolvent sind Sie seit 2004 unter anderem mit Ihrem Buchführungsbüro selbstständig tätig. Was konnten Sie vom Event für Ihren beruflichen Alltag mitnehmen?
Unser Büro ist bereits jetzt sehr gut digital aufgestellt. Einige Dinge sind (teil-)automatisiert: Excel PowerQuery vereinfacht den Datenabruf sowie die Datentransformation und erleichtert Importe in FiBu / ERP Systeme; die Verprobung und Stichprobenkontrolle führen wir natürlich weiterhin manuell durch.
Es war sehr interessant sich auf der Digital X Roboter, Drohnen und auch KI Modelle anzusehen. Direkte tiefgreifende Impulse für unseren Betrieb habe ich nicht erhalten, unser Videokonferenzsystem hat allerdings im Anschluss ein Upgrade erhalten.
Die Digitalisierung soll durch fortschrittlichere Datenanalysen und den smarten Einsatz von KI für Effizienzsteigerungen in den Unternehmen sorgen und Teams durch cloudbasierte Tools global miteinander arbeiten können lassen. Wie sehen Sie die Zukunft im Bereich des Rechnungswesens? Inwiefern werden neue Technologien, aber auch Verantwortung und Nachhaltigkeit eine Rolle spielen?
KI ist vor allem ein Buzzword und nicht ansatzweise so disruptiv wie in der Presse beschrieben; auch da dahinter immer von Menschen geschaffene Algorithmen stehen. Bereits mit den aktuellen technischen Möglichkeiten können ERP / FiBu Softwarehersteller Arbeitserleichterungen und Automatisierungen für die meisten Finance-Prozesse realisieren. In wenigen Bereichen ist es heute noch erforderlich Eingangsrechnungen zu kontieren und alle Werte manuell zu erfassen. Eine intelligente Software lernt wiederkehrende Belege zu erkennen, findet selbständig Belegangaben wie Rechnungsnummer, Buchungsbetrag und Lieferant und ordnet diese sogar gegebenenfalls einer Bestellnummer zu. Hier ist der Computer wesentlich genauer und macht an einem 24-Stunden Arbeitstag erstaunlich wenig Fehler.
Diese Zeitersparnis können wir für value-added work nutzen wie z.B. das Controlling, Forecast und Planung. Allerdings sollte man den Systemen niemals blind vertrauen. Stichprobenkontrolle und Verprobungen werden durch den Einsatz von KI nicht überflüssig, sondern liegen weiterhin in unserer Verantwortung.
Das Thema vernetztes Arbeiten haben wir ja bereits angerissen. Meiner Meinung nach kann es ein echter Gewinn für die „work-life balance“ sein von überall aus arbeiten zu können. Viele meiner Mandantinnen und Mandanten bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sogar workations an, im Rahmen derer die Mitarbeitenden Urlaub und Arbeit an fernen Orten verbinden können.
Dabei sollte Datensicherheit und Datenschutz allerdings ein hoher Stellenwert eingeräumt werden: Wie sind mobile Geräte gesichert? Wo liegen die Daten? Was passiert, wenn ein Gerät verloren oder kaputtgeht? Wer hostet die Videokonferenz? Wo liegen unternehmensinterne Dokumente? In den USA? In China? Wo genau ist die „Cloud“?
Und noch einmal anders gefragt: welche Ansprüche und Wünsche haben Sie an die Digitalisierung und das Arbeiten der Zukunft? Wo sehen Sie Potenziale?
Mein Anspruch ist, dass die Digitalisierung uns das Leben und auch das Arbeiten leichter machen soll. Falls ich für ein Meeting nicht unbedingt auf einen anderen Kontinent fliegen muss, dann spare ich Zeit, Geld und CO². Wenn allerdings Digitalisierung bedeutet, dass ein Kunde etwas auf der Webseite im Formular online erfasst und danach ein Mitarbeiter diese Daten von Hand aus einer Mail in die Datenbank kopieren muss, ist das am Thema vorbei.
Ich glaube, die große Chance für unseren Berufsstand liegt darin, die Zukunft aktiv mitzugestalten. Stefan Kaumeier hat auf dem WIB Kaminabend erklärt, was das bedeutet: Wir müssen den System-Entwicklern sagen, welche Regeln anzuwenden sind und wie das Ergebnis aussehen soll; dann können sie sich um die Umsetzung kümmern. Dabei gilt: „Wenn Sie einen schlechten Prozess digitalisieren, dann haben Sie einen schlechten digitalen Prozess“. Wer sich mit Digitalisierung auseinandersetzt, sollte bei der Prozessmodellierung anfangen und sich Gedanken zu den Abläufen und dem gewünschten Ziel machen. Nur so kann Digitalisierung im Unternehmen und auch privat gelingen.