Kommentar: BVBC-Geschäftsführer Markus Kessel zur weitgehenden Abschaffung des Solidaritätsbeitrags
Die Bundesregierung hat beschlossen, den Soli weitgehend abzuschaffen. Am Mittwoch (21.08.) einigte sich das Kabinett auf einen Gesetzentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der den Solidaritätsbeitrag künftig nur noch für 10 Prozent der Zahler vorsieht.
Die Betonung des Finanzministers darauf, dass er in dieser Legislaturperiode nicht mehr entscheiden möchte, wie lange der Solidaritätszuschlag gemäß seinen Plänen noch für Topverdiener behalten werden soll, bestätigt eigentlich nur, dass es jetzt zwar einen öffentlich nett aussehenden Beschluss, aber trotzdem keine Einigkeit darüber gibt, wie die Bundesregierung ein Versprechen an alle Bürger umsetzen möchte. In der kommenden Legislaturperiode werde man dies aber sicher entscheiden – irgendwann ab 2021.
Zur Erinnerung: Der Solidarpakt II läuft Ende 2019 aus. Eine Beibehaltung des Solis darüber hinaus ist nicht nur nach Auffassung der FDP verfassungswidrig. Das Finanzministerium rechnet vor, dass dem Bund durch den Beschluss ab 2021 rund 11 Milliarden Euro Einnahmen fehlen. Die aktuellen Bundeseinnahmen durch die Abgaben des Solidaritätszuschlags betragen rund 20 Milliarden Euro. Die Eckdaten rund um den heutigen Regierungsbeschluss sagen auch, dass 90 Prozent der heutigen Abgabenträger entlastet werden und weitere 6,5 Prozent den Soli ab 2021 nur noch teilweise entrichten sollen. 3,5 Prozent – die Topverdiener – zahlen weiterhin voll. Man hat also eine Quote gefunden und beschlossen, die knapp die Hälfte der Steuereinnahmen erhält, auf augenscheinlich möglichst weniger Zahler verteilt und der Politik Zeit verschafft, um sich weitere Verschlimmbesserungen auszudenken. Dabei wussten wir es eigentlich schon seit der Besiegelung des Koalitionsvertrages der aktuellen Legislaturperiode.
Der BVBC unterstützt die Forderungen des Bundes der Steuerzahler uneingeschränkt. Der heutige Beschluss ist gefallen, obwohl bessere – wenn auch nicht absolut zufriedenstellende – Alternativen vorlagen. Die Einwürfe des Wirtschaftsministeriums hätten die Pläne von Finanzminister Olaf Scholz zumindest um zwei wesentliche Punkte ergänzt:
- um ein konkretes Datum für die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages und
- um die Schließung wenigstens eines Hintertürchens – nämlich die Entlastung von Sparern und GmbHs ab 2021.
Man hat sich also nicht nur gegen dringend notwendige Verbesserungen entschieden, sondern weiterhin auch gegen die Einhaltung eines Versprechens. Die heutige Einigung der Bundesregierung ist kein Beschluss mit einer klaren Botschaft für die Zukunft, sondern wieder einmal nur parteilicher Einheitsbrei mit Hintertürchen, der den Steuerdschungel in Deutschland um ein paar Lianen reicher macht. Entscheidungen werden vor sich hergeschoben und die Verfassungswidrigkeit des Nicht-Handelns in Kauf genommen. Und selbst wenn man hinter dem Beschluss bereits heute taktisches Wahlkampfgeplänkel vermuten würde – 90% sind schließlich schon eine überragende Mehrheit und nur die vermeintlich „bösen“ Topverdiener müssen noch dran glauben – wird auch dieser Plan nicht aufgehen. Wähler gewinnt man (nur zurück) mit klarer Kante und der Einhaltung von Versprechen, nicht mit parteiübergreifenden faulen Kompromissen.
Update: Bundestagsgutachten prognostiziert „hohes Risiko der Verfassungswidrigkeit“
Ein 23-seitiges Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags nährt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelungen. Die Experten warnen davor, „dass jedwede Erhebung des Solidaritätszuschlags über 2019 hinaus – sei es auch nur von höheren Einkommensgruppen und Unternehmen – ein hohes Risiko der Verfassungswidrigkeit in sich birgt“. Nach Auswertung von Literatur und Rechtsprechung bestünden erhebliche Bedenken. Es sei fraglich, „ob die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung als Sonderabgabe noch vorliegen“. Diese Voraussetzungen ließen „sich auch nur schwer durch das Instrument der sog. ‚Umwidmung‘ wieder als erfüllt ansehen“.