Im April wählte die Mitgliederversammlung Jörg Zeyßig zum neuen BVBC-Präsidenten. Im Interview mit Kenan Häberle, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (BVBC), verrät der selbstständige Interimmanager, welche Motivation ihn antreibt und vor welchen Herausforderungen der Verband steht.Kenan Häberle: Herr Zeyßig, als Selbstständiger im Interimmanagement werden Sie oft als Retter in der Not wahrgenommen. Viele Unternehmen kommen auf Sie zu, wenn bereits etwas im Argen liegt oder große Projekte anstehen. Sich immer wieder auf diese neuen Herausforderungen einzustellen, verlangt oft einen erheblichen zeitlichen Einsatz. Was hat Sie dazu motiviert, sich trotz begrenzter zeitlicher Ressourcen ehrenamtlich im BVBC-Präsidium zu engagieren?
Jörg Zeyßig: Auch im Interimmanagement kann so etwas wie Routine liegen. Bei neuen Projekten geht vorher immer ein Film durch meinen Kopf: Wie komme ich zum Projektstandort? Wo kann ich wohnen? Inzwischen reise ich immer mit einer kleinen Kiste. Da ist dann vom Korkenzieher über die Schreibtischlampe bis zum Rohrreiniger alles drin. Ich bin es gewohnt, ein Leben auf Abruf zu organisieren und innerhalb weniger Tage irgendwo in Deutschland einsatzbereit zu sein. Das ist auch nützlich, wenn man für den Verband im Einsatz ist. Für mich ist „unterwegs zu sein“ kein Stress, sondern tägliche Übung. Und es ist sicherlich von Vorteil, dass ich mich in meinen Projekten schnell einarbeiten und Entscheidungen manchmal im luftleeren Raum treffen muss. Das geht uns doch im Präsidium nicht anders: Wir sind nicht alltäglich ins operative Geschäft eingebunden, das haben wir vertrauensvoll in die Hände unseres Geschäftsführers gelegt. Trotzdem erwartet man von uns Entscheidungen. Da können Sie im Vorfeld gar nicht alle Fakten zusammentragen. Für die inhaltliche Aufgabe finde ich es spannend zu sehen, wie wir beide Zweige unseres Verbands entwickeln können. Ich sage immer scherzhaft: Ich bin ein Controller, der im Rechnungswesen hängen geblieben ist. Dass während meiner Amtszeit der ein oder andere Akzent zusätzlich im Controlling gesetzt wird, ist da sicherlich verständlich.
Häberle: Auf der Mitgliederversammlung am 21. April 2018 in Leipzig stand die reguläre Neuwahl des Präsidiums auf der Tagesordnung. Christel Fries, BVBC-Präsidentin von 2014 bis 2018, stand aus persönlichen Gründen nicht zur Wiederwahl zur Verfügung. Alle weiteren Präsidiumsmitglieder stellten sich erneut auf, als bisheriger Vizepräsident kandidierten Sie für das Amt des Präsidenten. Gab es im Vorhinein Überlegungen, dass sich für diese Position auch andere Präsidiumsmitglieder aufstellen?
Zeyßig: Wenn ich mir in der Rückschau den Prozess zum Rücktritt von Christel Fries und der Kandidatenfindung im Präsidium anschaue, ist er ein deutliches Beispiel dafür, wie wir zusammengearbeitet haben und auch zukünftig werden. Christel hat uns sehr früh über ihre Entscheidung informiert und ist dann auch konsequent dabeigeblieben, obwohl wir natürlich versucht haben, sie zum Weitermachen zu bewegen. Aber so war allen Beteiligten klar: Es wird ernst. Wir haben dann bei den restlichen Mitgliedern des Präsidiums die Bereitschaft zur Präsidentschaft abgefragt. Und um Ihre Frage zu beantworten: Nein, ich war nicht der Einzige. Aber wir haben dann sehr sachlich darüber diskutiert, auch im Hinblick auf Stärken und Schwächen der beteiligten Personen und kamen zu dem bekannten Ergebnis, welches wir der Bundesverbandskonferenz (BVK) vorgestellt haben. Dieses Präsidium funktioniert als Kollektiv und nicht nach den Posten, die zu verteilen sind. Jeder von uns hat die Rolle gefunden, für die er oder sie am besten geeignet ist. So macht Zusammenarbeit Spaß und wird auch für mich persönlich zu einem wichtigen Motivator. Zwei weitere Dinge sind mir noch wichtig: Es soll durch diesen Prozess nicht der Eindruck einer geschlossenen Gesellschaft entstehen. Natürlich waren auch andere Mitglieder eingeladen, sich auf die Posten im Präsidium zu bewerben. Und wir haben eine Reduktion von sechs auf fünf Präsidiumsmitglieder vorgenommen, um auch ein Zeichen der Kostenersparnis zu setzen. Das bedeutet für die restlichen fünf auch Mehrarbeit.
Häberle: 2015 stellte das BVBC-Präsidium seine aktuellen Zielsetzungen in der „Agenda 2020“ vor. Die BVBC-Konferenz, an der jährlich zahlreiche ehren- und hauptamtliche Funktionäre teilnehmen, schloss sich dieser einstimmig an. Sie sieht neben einer wachsenden Mitgliedergewinnung und -bindung unter anderem die Neuorganisation des Gesamtverbands und berufspolitische Erleichterungen für selbstständige Bilanzbuchhalter und Controller vor. Gibt die „Agenda 2020“ auch nach den Präsidiumsneuwahlen die Marschrichtung für die kommenden Jahre vor?
Zeyßig: Natürlich gilt die Umsetzung der Agenda 2020 auch für das neue Präsidium weiterhin als das primäre Ziel. Dafür haben wir ja auch diese Kontinuität im Präsidium gewählt. Aber wir fragen uns schon manchmal, was bei der Kommunikation von Teilen der Agenda 2020 falsch gelaufen ist. So resultiert zum Beispiel der Teil „Auflösung der Landesverbände“ von der Entscheidung her schon aus dem Jahr 2011, als noch keines der jetzigen Präsidiumsmitglieder in diesem Entscheidungsgremium saß. Die Umsetzung dieses Prozesses ist daher keine Schnapsidee des Präsidiums, sondern geschieht aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung. Daran sehen wir uns schlicht gebunden. Persönlich glaube ich allerdings auch, dass es der richtige Weg ist. In Zeiten sinkender Ressourcen im Ehrenamt kann es doch nicht Sinn und Zweck sein, diese für eher formalistische Aufgaben zu verpulvern. Ich finde es wichtig, wenn Ehrenamtliche Herzblut in die Organisation von Veranstaltungen stecken, junge Nachwuchskräfte unseres Berufszweigs coachen oder den Kontakt zu örtlichen IHKs herstellen. Darin liegt der Mehrwert für uns alle, und nicht im Protokollschreiben und dem Abhalten von Mitgliederversammlungen. Aber eines ist auch richtig: Wir müssen andere Wege finden, wie wir den Austausch mit unseren Mitgliedern fortführen. Dabei wünsche ich mir einen offenen Austausch auch mit konträren Standpunkten. Da sollte nichts unter der Oberfläche schwelen. Wenn jedoch eine Entscheidung getroffen wurde, wie der Weg gegangen werden soll, und die Einbeziehung stattgefunden hat, dann muss am Ende so etwas wie Commitment stehen. Das ist nach Ansicht des Präsidiums teilweise noch nicht passiert und wird die Herausforderung der nächsten drei Jahre.