Am 6. März 2024 war „Equal Pay Day”. Anlässlich dessen hat Janneke Eggert, zuständig für die Bereiche Kommunikation und Marketing in der BVBC-Geschäftsstelle, mit BVBC-Vizepräsidentin Uta-Martina Jüssen und BVBC-Aufsichtsratsvorsitzenden Sabine Germershaus über den Gender-Pay-Gap, seine Ursachen und notwenige Veränderungen in der Arbeitswelt hin zu mehr Lohngerechtigkeit gesprochen.
Der „Equal Pay Day” thematisiert den Gender-Pay-Gap, also die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Er wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und wurde erstmals 2008 auf Anregung des Business and Professional Women (BPW) Germany in Deutschland durchgeführt. Gemäß Statistischem Bundesamt beträgt der Gender-Pay-Gap in Deutschland aktuell 18 %. Demnach haben Frauen 2024 – symbolisch gesprochen – 66 Tage unbezahlt gearbeitet. Der „Equal Pay Day” fiel daher in diesem Jahr auf den 6. März. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit auf einem der letzten Plätze – der europäische Gender-Pay-Gap wird nur mit rund 13 Prozent angegeben. Der Gender-Pay-Gap wird durch viele Faktoren verursacht, im Fokus der Kampagne in diesem Jahr stehen die Unterschiede in der (Arbeits-)Zeit, also Vollzeit oder Teilzeit.
Verbinden Sie selbst persönliche Erfahrungen mit dem Thema Gender-Pay-Gap?
Uta-Martina Jüssen: Persönlich war ich in meiner beruflichen Laufbahn noch nie mit diesem Thema konfrontiert, ich konnte aber Folgendes feststellen.
Das Ungleichgewicht rührt häufig daher, dass Frauen immer noch in der Rolle der Haupterziehungsberechtigten festsitzen. Durch lange Ausfallzeiten während der Elternzeit werden nicht nur notwendige Weiterentwicklungen in der eigenen Karriere, sondern auch unter Umständen regelmäßige Gehaltserhöhungsrunden verpasst.
Bisher wurde allerdings bei meinen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sehr auf die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen geachtet. So fanden und finden regelmäßig Schulungen für Managerinnen und Manager statt, mindestens einmal jährlich Trainings, die sich ausschließlich mit dem Antidiskriminierungsgesetz befassen und jährliche Gehaltserhöhungsrunden, bei denen individuell nach Leistung beurteilt wird. Am internationalen Frauentag organisiert mein Arbeitgeber ein Frühstück für alle weiblichen Angestellten.
Sabine Germershaus: Ich selbst war zunächst im Angestelltenverhältnis tätig und bin später in die Selbständigkeit gewechselt. Nach meinen Erfahrungen (sowohl persönlich als auch im Kolleginnen- und Kollegen-Kreis) ist die Lohnlücke in unterschiedlicher Weise spürbar.
Der „Klassiker" im negativen Sinne ist die offenkundige Lohnlücke: geringerer Lohn für gleiche Arbeit. Das ist rechtswidrig und zum Glück verbessert sich diese Situation, u.a. durch strengere gesetzliche Regelungen. Ebenso offenkundig ist es, wenn Frauen in schlechter bezahlten Berufsgruppen oder finanziell geringer eingestuften Stellen beschäftigt sind. Das sind meist Jobs, auf die sich Männer für das gleiche Geld kaum bewerben würden.
Die Lohnlücke betrifft auch die weiblichen Fach- und Führungskräfte, ist dort aber weniger sichtbar. Bei den Führungspositionen, insbesondere auf den obersten Ebenen, ist der Frauenanteil deutlich geringer als ihr Beschäftigungsanteil im Unternehmen. Frauen in vergleichbaren Positionen werden manchmal schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Haben Frauen dann eine gleiche Bezahlung erreicht, müssen sie regelmäßig beweisen, dass sie „ihr Geld wert sind". Sie engagieren sich überdurchschnittlich, leisten mehr Arbeitsstunden, bringen bessere Arbeitsqualität usw. Also gleiches Geld, aber mehr Arbeit? Das ist eine verdeckte Art der Lohnlücke, aber auch nicht gerecht. Zum Glück gibt es immer mehr Unternehmen, in denen alle Beschäftigten wertgeschätzt werden und die Vergütung geschlechtsneutral ist. Eine große Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Betriebs- und Personalräte. Ich kenne verschiedene Unternehmen mit engagierten Mitarbeitenden-Vertretungen. Dort werden Frauen oft stärker unterstützt. Das spiegelt sich auch in gleichberechtigter beruflicher Stellung und Bezahlung wieder.
Der Gender-Pay-Gap hat viele Ursachen, einige davon haben Sie vorhin schon aufgezählt. Gründe sind etwa die Berufswahl und die geschlechterstereotypische Wahrnehmung von Berufen, die wiederum zu unterschiedlicher Bezahlung führen sowie die Position, die eine Person innehat, familienbedingte Unterbrechungen und eine fehlende Gehaltstransparenz. Worin sehen Sie die größten Herausforderungen und unterscheiden sich diese im Rechnungswesen und Controlling von anderen Bereichen?
Jüssen: Eine aktuelle Umfrage des statistischen Bundesamts zeigt, dass die Schere bei Frauen ab 30 auseinandergeht. Begründet wird dies damit, dass Frauen, die Mutter werden, heute im Schnitt um die 30 sind und dann aus dem Beruf herausgehen, um sich der Erziehung der Kinder zu widmen. Die größte Herausforderung sehe ich in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Solange hier kein Umdenken geschieht und Frauen sich mit Gründung einer Familie weiter in die Rolle des Verzichts auf eine Karriere drängen lassen, wird sich an dem Ungleichgewicht nicht viel ändern. Auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind gefordert eine adäquate Lösung für dieses Problem zu suchen. So kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass das Angebot z. B. eines Betriebskindergartens Frauen häufiger früher in den Beruf zurückbringt.
Außerdem muss ein Umdenken bei den Vorgesetzten einsetzen – und damit meine ich nicht nur männliche Vorgesetzte. Häufig sehen auch Frauen in Führungspositionen die Investition in die Karriere einer Mitarbeiterin im gebärfähigen Alter als kritisch, da sie befürchten, auf die Mitarbeiterin durch die Gründung einer Familie auf längere Zeit verzichten zu müssen. Selbst Kolleginnen waren leider häufig der Ansicht, dass Frauen in Führungspositionen nur aufgrund der Frauenquote in dieser Position sind, ohne dass die Kolleginnen die tatsächliche Leistung der Führungskraft annähernd beurteilen konnten. Diese Herausforderungen sind aus meiner Sicht in allen Bereichen identisch.
Auch im Rahmen der Selbstständigkeit gibt es Unterschiede im Verdienst. Honorare müssen etwa individueller verhandelt werden, gleichzeitig kann die freiere Zeiteinteilung auch Chancen bieten, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Wo sehen Sie in diesem Bereich Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten für selbstständige Frauen?
Germershaus: Als Selbständige wird Frau von ihren Auftraggeberinnen und Auftraggebern als „Unternehmenschefin" wahrgenommen und die erzielbaren Preise werden vor allem mit Fachkompetenz und Leistung verknüpft. Daraus ergeben sich gute wirtschaftliche Chancen. Auf der anderen Seite steht aber immer das unternehmerische Risiko und es gilt der Spruch „selbst und ständig". Wer sich dieser Situation stellen möchte, dem bzw. der bietet die Selbstständigkeit gute Möglichkeiten. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der freien Zeiteinteilung sehe ich nicht mehr so große Unterschiede zwischen Angestellten und Selbständigen. In den letzten Jahren hat sich da viel getan: Flexible Arbeitszeitmodelle, mobiles Arbeiten, Väter, die ganz selbstverständlich Elternzeit wahrnehmen. Gerade die junge Generation macht vieles richtig und achtet verstärkt auf das „Leben neben der Arbeit".
Für mich ergibt sich als Fazit daraus, sowohl für unsere angestellten ebenso wie unsere selbstständigen Mitglieder, folgende wichtige Frage: Kann es sich unsere Gesellschaft leisten, die wertvolle Ressource der weiblichen Fach- und Führungskräfte brach liegen zu lassen? Ich denke nein. Zum Glück ist inzwischen vieles im Umbruch begriffen. Alte patriarchalische Denkstrukturen treten in Unternehmen und Familien zunehmend in den Hintergrund. Deutschland leidet unter Fachkräftemangel und der Berufs- und Arbeitsmarkt wandelt sich. Nutzen wir Frauen als Angestellte und als Selbständige aktiv die Chancen, die sich daraus ergeben.