Seitdem die EU-Kommission 2018 das Vertragsverletzungsverfahren wegen inkohärenter Regelungen des Steuerberatungsgesetzes gegen Deutschland eingeleitet hat, wurde es in den letzten Jahren still um die aktuellen Verhandlungen. Jetzt hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Diskussionsentwurf zur Neuregelung von § 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) erarbeitet.
Seit Juli 2018 läuft das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik, weil das nationale Steuerberatungsgesetz nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Der BVBC hat seitdem zahlreiche Gespräche mit Minister*innen und Mitarbeiter*innen des BMFsowie der EU-Kommission geführt und in Stellungnahmen seine Forderungen nach mehr Befugnissen für selbstständige (Bilanz-)Buchhalter eingebracht.
„In den vergangenen vier Jahren ist jedoch wenig nach außen gedrungen, was die Abstimmung zwischen der EU und Deutschland angeht“, stellt Kenan Häberle, stellvertretender BVBC-Geschäftsführer, fest. „Dass die aktuell diskutierten Regelungen jedoch schon 2020 in Planung waren, wird ganz offensichtlich, wenn wir uns an das Gespräch erinnern, das wir im Juli vor zwei Jahren mit Dr. Rolf Möhlenbrock, Leiter der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium (BMF), geführt haben. Dr. Möhlenbrock hatte zum damaligen Zeitpunkt bereits recht klar umrissen, dass insbesondere die namentliche Nennung von Personengruppen und Einrichtungen im Ausnahmenkatalog von § 4 des Steuerberatungsgesetzes entfallen sollen, um den Forderungen der Kommission Genüge zu tun. Eine weitere ‚Ausnahmesituation‘ für Bilanzbuchhalter*innen zu schaffen, würde den Bestrebungen hingegen nicht entsprechen.“ (vgl. News vom 14.07.2020).
Tatsächlich beschränkt sich das BMF in seinem Diskussionsentwurf auf eine Neuregelung des § 4 StBerG. Das durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitete Papier ersetzt die bisherigen Ausnahmeregelungen durch eine Generalklausel, die „abstrakt-generell regeln“ soll, „unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die beschränkte Hilfeleistung in Steuersachen zulässig ist“. Der aktuell gültige umfangreiche Ausnahmenkatalog könne so „deutlich verschlankt werden“, resümiert das Ministerium in seinem Schreiben an die Verbände und Berufskammern.
„Der vorliegende Änderungsentwurf beschränkt sich ausschließlich auf einen Paragrafen, obwohl die EU-Kommission in ihrem Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren auch auf Entscheidungen des EuGH verwiesen hat, die deutlich machen, dass Beschränkungen grundsätzlich nur dann angebracht sind, wenn sie in ‚kohärenter und systematischer Weise‘ erfolgen", kritisiert Häberle. „Das würde unter anderem bedingen, ‚dass alle vorbehaltenen Tätigkeiten derart komplex sind, dass sie unbedingt eine Vollqualifikation als Steuerberater erfordern‘. Insbesondere die in unserem Forderungskatalog aufgezählten Tätigkeiten sind dies jedoch nicht. Mindestens die Umsatzsteuervoranmeldung, die heutzutage nur noch einem Knopfdruck gleichkommt, sollte selbst mit der Thematik wenig vertrauten Personen offensichtlich machen, wie inkohärent die aktuellen Regelungen sind.“
Es ist davon auszugehen, dass der aktuelle Diskussionsentwurf auf Gesprächen mit der EU-Kommission basiert. Fraglich ist jedoch, ob er den Forderungen in Gänze entsprechen und damit das Vertragsverletzungsverfahren noch abwenden kann. „Unseres Erachtens handelt es sich mit den neuen Formulierungen ausschließlich um Augenwischerei. Es wird auf die Auflistung von Ausnahmen verzichtet und gleichzeitig versichert, dass es dennoch bei den Ausnahmen bleiben wird. Wir hoffen, dass die Kommission sich davon nicht blenden lässt. Denn am Ende entsprechen die Änderungen nicht einmal einem faulen Kompromiss, wir haben letztlich erst gar keinen“, moniert Häberle.
Bis zum 9. September besteht die Möglichkeit der Stellungnahme zum Diskussionsentwurf. Der BVBC wird die Gelegenheit nutzen, um nochmals eindringlich auf die Notwendigkeit weiterer Änderungen zu verweisen.
Frühere Beiträge zum Thema:
- 17.10.2018 – EU-Kommission: Steuerberatungsgesetz nicht mit EU-Recht vereinbar
- 03.03.2020 – Mehr Rechte für selbstständige Bilanzbuchhalter: Finanzministerium signalisiert Gesprächsbereitschaft
- 14.07.2020 – Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission: Änderung des Steuerberatungsgesetzes soll bevorstehen
- 07.10.2020 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC richtet Appell an die EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC wendet sich mit Partnerverbänden an EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vorbehaltsaufgaben am Pranger: Der Steuerberater und sein verzweifeltes Ringen um Macht