Stoppen Sie jetzt die Diskriminierung selbstständiger Finance-Profis!

Die Regelungen des Steuerberatungsgesetzes sind unschlüssig und unverhältnismäßig. Das hat auch die EU-Kommission erkannt und gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet (2018/2171). Die Vorbehaltsaufgaben steuerberatender Berufe diskriminieren selbstständige (Bilanz-)Buchhalter*innen, Steuerfachwirt*innen und andere Finance-Profis. Lassen Sie das nicht länger zu!
Hintergrundinformationen
Einschränkungen durch das StBerG
Selbstständige (Bilanz-)Buchhalter*innen und andere Finance-Fachkräfte werden in ihrer Berufsausübung durch die Regelungen des Steuerberatungsgesetzes beschränkt. Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind ausschließlich Steuerberater*innen, Rechtsanwält*innen und andere in den §§ 3 und 4 StBerG aufgeführte Personen und Vereinigungen befugt. Für alle anderen gilt nach § 5 StBerG das Verbot der Hilfeleistung in Steuersachen mit zwei Ausnahmen:
§ 6 Ausnahmen vom Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen
Das Verbot des § 5 gilt nicht für
[...]
3. die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind; hierzu gehören nicht das Kontieren von Belegen und das Erteilen von Buchungsanweisungen,
4. das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen, soweit diese Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht werden, die nach Bestehen der Abschlußprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder nach Erwerb einer gleichwertigen Vorbildung mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des Buchhaltungswesens in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden praktisch tätig gewesen sind.
Erlaubt sind demnach:
1. Mechanische Arbeitsgänge (§ 6 Nr. 3 StBerG)
Die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, ist gestattet. Hierzu gehören etwa folgende Tätigkeiten:
- Schreib- und Rechenarbeiten
- Datenerfassung nach Belegen, die durch den Auftraggeber oder von einer anderen dazu befugten Person kontiert wurden
- Datenerfassung nach verbindlichen Buchungsanweisungen des Auftraggebers oder einer anderen zur Erteilung von Buchungsanweisungen befugten Person
- Datenzusammenstellung nach vorgegebenen Programmen
2. Weitergehende Tätigkeiten für (Bilanz-) Buchhalter (§ 6 Nr.4 StBerG)
Bei Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen sind zusätzlich folgende Tätigkeiten erlaubt:
- das Buchen laufender Geschäftsvorfälle (Kontieren von Belegen, Erteilung von Buchungsanweisungen)
- die laufende Lohnabrechnung
- das Fertigen von Lohnsteueranmeldungen
Dazu gehören:
- Erfassung von Geschäftsvorfällen durch Grundaufzeichnungen (Aufstellung über Eingangs bzw. Ausgangsbelege, Führung eines Kassenbuchs, etc.)
- Buchen laufender Geschäftsvorfälle durch Bildung von Buchungssätzen
- Datenerfassung zum Zweck der EDV-Buchführung außer Haus
- technische Zusammenstellung der Jahresabschlusszahlen und betriebswirtschaftliche Auswertung des Zahlenmaterials in Form von Kennzahlen (BWA, betriebswirtschaftliche Beratung)
- steuerlich irrelevante Hilfeleistung bei der Einrichtung der Buchführung (etwa durch Unterstützung bei der Wahl des Buchführungssystems, der Form der Belegübernahme, möglicher Hardware usw.)
- laufende Lohnabrechnungen und Lohnsteueranmeldungen fertigen
Nicht erlaubte Tätigkeiten
Weiterführende Tätigkeiten auf dem Gebiet der Buchführung und Bilanzierung obliegen grundsätzlich den steuerberatenden Berufen. Diese umfassen insbesondere folgende Arbeiten:
- Einrichtung der Buchführung, Erstellung des betrieblichen Kontenplans (Finanzbuchhaltung)
- Aufstellung des Jahresabschlusses (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) und Vornahme der vorbereitenden Abschlussbuchungen
- Gewinnermittlung durch Einnahme-/Überschussrechnung
- Einrichtung der Lohnkonten, Lohnsteuerabschlussarbeiten zum Jahresende, Durchführung des betrieblichen Lohnsteuerjahresausgleichs
- Erstellung der Umsatzsteuer-Voranmeldung und Fertigung anderer Steuererklärungen (Ausnahme: Lohnsteueranmeldungen)
Überregulierung durch das StBerG ist rechtswidrig
Selbstständige Finance-Profis dürfen weder die Leistungen erbringen, für die sie ausgebildet wurden, noch diejenigen, die von ihnen als angestellte Fachkräfte täglich erwartet werden. Diese Ungleichbehandlung von Angestellten und Selbstständigen sowie die Überregulierung eines ganzen Berufsstands ist rechtswidrig. So hat das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahrzehnten mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG ausgeführt, dass die Ausübung des erlernten Berufes möglich sein muss und das Grundrecht auf Berufsfreiheit dabei nicht zwischen dem selbstständig und dem unselbstständig ausgeübten Beruf unterscheidet (BVerfGE 7, 377 [398 f.]; 54, 301 [322]).
Forderungen des BVBC
Die im Folgenden aufgeführten Tätigkeiten sind noch immer allein den steuerberatenden Berufen vorbehalten, obwohl das zum Schutz der Steuerrechtspflege nicht erforderlich ist. Die jeweilige steuerliche Komplexität dieser Tätigkeiten rechtfertigt das Verbot angesichts der bei den vom BVBC vertretenen Berufsgruppen vorhandenen fachlichen Qualifikationen nicht.
Der BVBC setzt sich daher dafür ein, dass selbstständige (Bilanz-)Buchhalter*innen und Absolvent*innen vergleichbarer Qualifikationen künftig folgende Leistungen erbringen dürfen:
- Erstellung und Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldung
- Einrichtung der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
- Durchführung vorbereitender Abschlussarbeiten
- Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung (nach § 4 Abs. 3 EStG)
- Bilanzerstellung (für Betriebe in der Größenordnung von § 267 Abs. 1 HGB)
Infos zum Vertragsverletzungsverfahren
Am 19.07.2018 wandte sich die Europäische Kommission mit einem Aufforderungsschreiben im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2018/2171 an Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen. Darin weist die Kommission auf die Bestimmungen der deutschen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU hin, die die Anerkennung von Berufsqualifikationen und -erfahrungen in der EU regelt. Im Kern geht es um die Vereinbarkeit des deutschen Steuerberatungsgesetzes mit dem EU-Recht. Die unter § 4 StBerG (Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen) aufgeführten Ausnahmen sieht die Kommission als ausschlaggebend dafür, dass der Vorbehalt der Tätigkeiten von Steuerberatern unverhältnismäßig sei.
Die dort aufgeführten Personenkreise sind zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, obwohl sie weder dem Regime der vorherigen behördlichen Genehmigung noch Anforderungen an die Berufsqualifikation unterliegen, wie dies bei den Leitungsorganen von Steuerberatungsgesellschaften der Fall ist. Die deutsche Regierung könne demnach nicht behaupten, dass das StBerG durch die Anforderungen an die Berufsqualifikation die Empfänger von geschäftsmäßigen Hilfeleistungen in systematischer und kohärenter Weise schütze.
Die Kommission zweifelt zudem an, dass alle Vorbehaltsaufgaben derart komplex seien, dass für sie unbedingt eine Vollqualifikation als Steuerberater notwendig sei. Es sei nicht erforderlich, „dass die Tätigkeiten der Dienstleister nur von Personen mit einer spezifischen Berufsqualifikation ausgeübt werden dürfen, soweit derartige Tätigkeiten im Wesentlichen administrativer Natur sind.“ Die Regelungen des StBerG seien demnach weder mit Artikel 59 Absatz 3 der Richtlinie 2005/36/EG noch mit Artikel 49 AEUV vereinbar.
Mehr Infos zum Vertragsverletzungsverfahren:
- 17.10.2018 – EU-Kommission: Steuerberatungsgesetz nicht mit EU-Recht vereinbar
- 03.03.2020 – Mehr Rechte für selbstständige Bilanzbuchhalter: Finanzministerium signalisiert Gesprächsbereitschaft
- 14.07.2020 – Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission: Änderung des Steuerberatungsgesetzes soll bevorstehen
- 07.10.2020 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC richtet Appell an die EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vertragsverletzungsverfahren: BVBC wendet sich mit Partnerverbänden an EU-Kommission
- 12.02.2021 – Vorbehaltsaufgaben am Pranger: Der Steuerberater und sein verzweifeltes Ringen um Macht
- 18.08.2022 – Vertragsverletzungsverfahren: BMF legt Diskussionsentwurf zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vor
- 02.09.2022 – Änderungsentwurf zu § 4 StBerG: BVBC bezieht Stellung
- 12.10.2022 – Änderung des StBerG: BVMW und ULA unterstützen BVBC-Forderungen
Inkohärenz von § 4 StBerG
Im aktuellen § 4 StBerG werden zahlreiche Berufsgruppen aufgeführt, die ausnahmsweise zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, ohne dass sie dazu einer vorherigen behördlichen Genehmigung bedürfen oder den besonderen Anforderungen an die steuerrechtliche Berufsqualifikation genügen müssen.
Die Regelung ist abschließend formuliert und schließt somit von vornherein viele Berufsgruppen aus, deren Tätigkeiten ebenfalls praktische Fragestellungen des Steuerrechts umfassen.
Zudem knüpft die Ausnahmeregelung nicht an eine entsprechende steuerrechtliche Vorbildung der angesprochenen Personen an. Wie weit die Ausnahmeerlaubnisse jeweils reichen, wird in § 4 StBerG allenfalls nur angedeutet. Das Gesetz verweist insoweit auf die Rahmenbedingungen der jeweiligen Berufe und Tätigkeitsbereiche, ohne das näher zu konkretisieren. Hier fehlt es mithin an jeder näheren Differenzierung nach der Komplexität der jeweiligen Tätigkeiten und nach der steuerrechtlichen Vorbildung der angesprochenen Berufsgruppen.
Den Regelungen der §§ 1, 3, 4 und 5 StBerG liegt mithin kein kohärentes System zugrunde, um das Ziel des Schutzes der Steuerrechtspflege in angemessener und verhältnismäßiger Art und Weise zu erreichen.
Diskussionsentwurf: BMF plant Änderung von § 4StBerG
Im Sommer 2022 hat das BMF einen Disskusionsentwurf zu einer Neuregelung von § 4 StberG vorgelegt. Das durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitete Papier ersetzt die bisherigen Ausnahmeregelungen durch eine Generalklausel, die „abstrakt-generell regeln“ soll, „unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die beschränkte Hilfeleistung in Steuersachen zulässig ist“. Der aktuell gültige umfangreiche Ausnahmenkatalog könne so „deutlich verschlankt werden“, resümiert das Ministerium in seinem Schreiben an die Verbände und Berufskammern.
Der vorliegende Änderungsentwurf beschränkt sich ausschließlich auf einen Paragrafen, obwohl die EU-Kommission in ihrem Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren auch auf Entscheidungen des EuGH verwiesen hat, die deutlich machen, dass Beschränkungen grundsätzlich nur dann angebracht sind, wenn sie in "kohärenter und systematischer Weise" erfolgen". Das würde unter anderem bedingen, "dass alle vorbehaltenen Tätigkeiten derart komplex sind, dass sie unbedingt eine Vollqualifikation als Steuerberater erfordern". Insbesondere die vom BVBC eingeforderten Tätigkeiten im Rahmen einer Befugniserweiterung sind dies jedoch nicht.
§ 4 StBerG-E: Geplante Neufassung beseitigt Inkohärenz nicht
Die beabsichtigte Neuregelung des § 4 StBerG-E beseitigt diese Inkohärenz nicht, da sich die beabsichtigten Änderungen auf die Streichung des abschließenden Katalogs von berufsbezogenen Einzelausnahmen und die Einführung einer an das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) angelehnten Generalklausel beschränken. Wie die Begründung des Gesetzesentwurfs deutlich macht, soll der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift durch den Verzicht auf eine abschließende Aufzählung von Berufsgruppen nur persönlich, nicht aber sachlich erweitert werden.
Somit bleibt es bei den bestehenden sachlichen Inkohärenzen, auf die die Kommission in ihrem Aufforderungsschreiben aufmerksam gemacht hat. Insbesondere bleiben den steuerberatenden Berufen auch weiterhin solche Tätigkeiten vorbehalten, deren Verbot zum Schutz der Steuerrechtspflege gar nicht notwendig ist, da für ihre sachgerechte Durchführung eine steuerberatende Vollqualifikation nicht erforderlich ist.
So verweist die Kommission in Ihrem Aufforderungsschreiben vom 19.7.2018 zur Illustration der sachlichen Inkohärenz beispielhaft auf den Fall der Energieprüfer*innen. Nach dem bisherigen § 4 und auch nach § 4 StBerG-E dürfen diese Personen zwar eine allgemeine Hilfeleistung in Steuersachen anbieten, wenn sie mit ihrer Berufstätigkeit im Zusammenhang steht oder eine Nebenleistung zum Berufsbild darstellt. Allerdings dürfen sie für ihre Kund*innen keine spezifischen Anträge auf Energiesteuerentlastung ausfüllen oder diese übermitteln, und das, wie die Kommission wörtlich ausführt, „obwohl es sich bei dieser Aufgabe hauptsächlich um ein Einsetzen der Prüfdaten in den Antrag handelt“.