Der grenzenlose europäische Binnenmarkt kann in der Praxis nur dann fair verwirklicht werden, wenn alle Dienstleister eines Sektors gleiche Voraussetzungen haben und nicht durch nationale Bestimmungen chancenlos gestellt werden. Zu diesem Schluss kommt der Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller e.V. (BVBC) als Reaktion auf die von EU-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska, zuständig für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU, am 03.05.2016 gestartete öffentliche Konsultation zur Frage "wie der grenzenlose Binnenmarkt in der Praxis verwirklicht werden kann".
Bieńkowska erläuterte, dass zwei Drittel der Wirtschaftsdienstleistungen der EU auf den Dienstleistungssektor entfallen, aber die Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen unterentwickelt seien. Insbesondere Unternehmensdienstleistungen, wie Buchhaltung, Ingenieurwesen und Baugewerbe sind betroffen. Bis Ende 2016 soll ein sog. Dienstleistungspass für Schlüsselbranchen, der von einer nationalen Behörde ausgestellt werden soll, Abhilfe schaffen. Diese Ankündigung konnte bereits im letzten Oktober der vorgestellten Binnenmarktstrategie der EU-Kommission entnommen werden. Ziel ist es, kleinen und großen Dienstleistern zu helfen, administrative Schwierigkeiten zu überwinden, um tätig zu werden. Verbraucher sollen mehr günstige Dienstleister zur Auswahl haben – auch grenzüberschreitend.
BVBC mahnt seit Jahren
Ein grenzüberschreitendes Dienstleistungsangebot ist zu begrüßen und die europäischen Rahmenbedingungen sind definitiv zu vereinfachen, doch gleichzeitig muss erst einmal vor der eigenen Haustür auf nationalem Grundstück gekehrt werden. Der Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller e.V. mahnt seit Jahren an, dass zu wenig für die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der nationalen Grenzen getan wird.
So kann zum Beispiel ein selbstständiger österreichischer Bilanzbuchhalter in Deutschland Leistungen erbringen, die einem deutschen geprüften Bilanzbuchhalter (IHK) durch das Steuerberatungsgesetz untersagt sind. Auch ohne einen europäischen Dienstleistungspass würden deutsche Verbraucher, nicht nur in den grenznahen Regionen zu Österreich, bereits jetzt von einer wesentlich breiteren und günstigeren Angebotsauswahl profitieren. Voraussetzung ist, dass selbstständige geprüfte Bilanzbuchhalter (IHK) die Dienstleistungen erbringen dürften, für die sie ausgebildet wurden und die sie in einem Angestelltenverhältnis tagtäglich bewerkstelligen müssen. Diese nationalen Einschränkungen gelten nur für selbstständige und nicht für angestellte Bilanzbuchhalter.
Diese enorme Einschränkung der Befugnisse von Selbstständigen im Vergleich zu Angestellten mit der identischen Qualifikation ist nicht nur unverständlich sondern als Verstoß gegen die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit gar verfassungswidrig. Dass damit auch den europarechtlichen Prinzipien der Dienstleistungs- und Erwerbsfreiheit fundamental widersprochen wird, liegt auf der Hand.
Der grenzenlose Binnenmarkt kann also in der Praxis nur dann fair verwirklicht werden, wenn alle Dienstleister eines Sektors gleiche Voraussetzungen haben. Doch das ist im geschilderten Beispiel erst dann erreicht, wenn der deutsche Mitbewerber nicht durch das nationale Berufsrecht von vorneherein chancenlos gestellt wird.