Zum ersten Mal fand am 02. Juni 2016 in Zusammenarbeit mit der IHK Ostwürttemberg, dem BVBC und der EMAA – European Management Accountants Association ein Bilanzbuchhalter- und Controller-Tag in Heidenheim statt. Cornelia Kirchmayr, Leiterin des Geschäftsfeldes Weiterbildung bei der IHK und Sigrid Assmus, zweite Vorsitzende des BVBC-Landesverbandes Baden-Württemberg begrüßten insgesamt 35 Fachleute aus dem Finanz- und Rechnungswesen, die sich über die finanz- und steuerpolitischen Neuerungen informieren wollten.
"Verliebt in GWGs?"- Prozessoptimierung bei der Verwaltung von GWGs
Uwe Jüttner, Präsident der EMAA und Experte der Anlagenbuchhaltung begrüßte die Teilnehmer fragend, ob Sie immer noch in GWGs, also sogenannte geringwertige Wirtschaftsgüter, verliebt seien. Das GWG-Wahlrecht stellte er anhand einiger Praxisbeispiele aus dem IT-Umfeld vor. Kann beispielsweise ein Flachbildschirm ein GWG sein? Nein, diese Art von Monitor ist nicht selbständig nutzbar und daher von der strengen gesetzlichen Auslegung her kein GWG. Dagegen ist ein Fernseher, der auch als Monitor genutzt werden kann, durchaus selbständig einsetzbar und damit als GWG buchbar.
Es sei ein allgemeines Problem, dass sich Anlagenbuchhalter mit unzähligen, letztlich aber geringwertigen Wirtschaftsgütern herumschlagen sehen, während Zeit für die Beurteilung wichtiger Geschäftsfälle Mangelware sei, so Jüttner. Der Anlagenbuchhalter-Profi zeigte deshalb unterschiedliche Möglichkeiten der Prozessoptimierung auf.
Der neue Bilanzbuchhalter
Verica Sipura, Weiterbildungsberaterin der IHK Ostwürttemberg, stellte die neue Prüfungsordnung für Bilanzbuchhalter vor. Die neue Verordnung gilt ab 2016, ist jedoch mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren erst verbindlich ab 2019 umzusetzen und anzuwenden.
Was hat sich geändert? Die Prüfungsordnung wurde grundlegend überarbeitet. Sie gliedert sich in sieben Handlungsfelder. Neu hinzugekommen sind die Handlungsbereiche „Ein internes Kontrollsystem sicherstellen“ und „Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit mit internen und externen Partnern sicherstellen“. Prüfungsteilnehmer müssen künftig drei schriftliche Klausuren (à 240 Min.), die jeweils mehrere Handlungsbereiche umfassend, absolvieren. Die mündliche Prüfung besteht nach wie vor aus einer Präsentation mit anschließendem Fachgespräch. Ihr Thema ist jedoch bereits vorher frei aus dem Handlungsbereich „Jahresabschlüsse aufbereiten und auswerten“ wählbar.
Mit der neuen Prüfungsordnung (PO) soll deutlich werden, dass der Bilanzbuchhalterabschluss (IHK) dem Niveau sechs des Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmens (DQR/EQR) entspricht – und somit dem Bachelorabschluss an deutschen Hochschulen. Dennoch: Die Fortbildung qualifiziert nicht zu einem Masterstudium. Bei der FOM - Hochschule für Oekonomie & Management gelangen Absolventen dank Anrechnung Ihrer Qualifikation jedoch schneller zu einem Bachelorabschluss. Der hohen fachlichen Wertschätzung seitens der Wirtschaft wird nun also auch im beruflichen Werdegang Rechnung getragen.
Ein weiteres Plus: Die Bilanzbuchhalterprüfung erfüllt künftig die schriftlichen Anforderungen der Ausbilder-Eignungsverordnung. Absolvent en brauchen dann künftig nicht mehr an der schriftlichen Ausbilder-Eignungsprüfung teilnehmen und verbessern so in einem Zug ihre berufliche Qualifikation.
Biltroller, Controller, Business Partner: Mythen und Wahrheiten des Rollenwandels
Nach der Mittagspause mit Frage- und Diskussionsmöglichkeiten, setzte Professor Dr. Robert Rieg von der Hochschule Aalen mit seinem Vortrag an und stellte sogleich vier Mythen auf:
● Mythos 1: Jedes Unternehmen benötigt Controller
● Mythos 2: Zusammenwachsen von Controlling und Bilanzierung durch IFRS (Biltrolling)
● Mythos 3: Business Partner ist die Ideale Rolle für Controller
● Mythos 4: Objektivität und Rationalität als Wesenskern von Controllern
Nachdem Rieg seine aufgestellten Mythen mit den Teilnehmern diskutierte, lautete sein Fazit: Controlling im Sinne von Unternehmenssteuerung bedeute nicht gleichermaßen Controlling im Sinne von Führungsunterstützung. Mit zunehmender Unternehmensgröße bestehe eine Tendenz zur Ausdifferenzierung von Aufgaben und Stellen; kleinere Unternehmen würden aus Wirtschaftlichkeitsgründen eher Biltroller einsetzen. Es bestehe kein genereller Trend zum Business Partner, es sei eher eine Koexistenz vieler Rollen. Zahlreiche ungeklärte Fragen bestünden zum „Partnering“. Klar sei jedoch: Controller leitsteten weiterhin wichtige Dienste für das Management und das Unternehmen. Klar sei hingegen nicht, dass sie automatisch rationaler als andere Berufsgruppen seien – mit diesem Klischee wollte Rieg aufräumen.
Grundlagen der Bilanz- und Finanzanalyse
Axel Uhrmacher, BVBC-Referent, gab einen Überblick über die Grundlagen der Bilanz- und Finanzanalyse. Dazu gehören auch umfangreiche Kennzahlen. Als Kennzahlen werden auf der Grundlage von Messsystemen ermittelte Ziffern bezeichnet, die schnell, auf einfache Weise und häufig in verdichteter Form über wirtschaftlich relevante Sachverhalte informieren. Werden zwei oder mehr Kennzahlen, die in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, sich gegenseitig ergänzen oder erklären und die gegebenenfalls in ihrem Zusammenhang auf ein übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind, miteinander kombiniert, entsteht ein Kennzahlensystem. Unter Bilanzanalyse, so Uhrmacher weiter, verstehe man die methodische Untersuchung von Jahresabschluss und Lagebericht mit dem Ziel, entscheidungsrelevante Informationen über die gegenwärtige wirtschaftliche Lage und die künftige wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens zu gewinnen.
Veranstaltungsfazit: Appetitanregend
Cornelia Kirchmayr (IHK) und Sigrid Assmus (BVBC) dankten den Teilnehmern für ihr zahlreiches Erscheinen sowie den Referenten für ihre praxisorientierten Vorträge. Beide waren nach ersten Statements der Teilnehmenden der Überzeugung: Der Tag hat Appetit auf mehr gemacht. Deshalb steltlen die beiden IHK- und BVBC-Vertreter einen nächsten Bilanzbuchhalter- und Controller-Tag für 2017 in Aussicht – gegebenenfalls im Wechsel mit der nahegelegenen IHK in Ulm.
Uwe Jüttner
EMAA-Präsident