Diplom-Kauffrau (FH) legt Verfassungsbeschwerde ein
Vorbehaltsaufgaben der steuerberatenden Berufe hindern selbstständige Buchhalter an ihrer Berufsausübung. Darunter fällt auch das Verbot des Anfertigens der Umsatzsteuervoranmeldung (UStVA). Dass das dem Grundrecht auf Berufsfreiheit widerspricht, geht aus einem vom Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) bereits 2015 in Auftrag gegebenen Gutachten hervor, das der Verband nun dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zukommen ließ.
Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind gemäß Steuerberatungsgesetz (StBerG) ausschließlich steuerberatende Berufe wie Steuerberater und Rechtsanwälte befugt (§ 3 StBerG). Ausnahmen gelten bei mechanischen Arbeitsgängen (§ 6 Nr. 3 StBerG) sowie für selbstständige Buchhalter, denen nach Beschlüssen des BVerfG aus den 1980er Jahren
(1 BvR 697/77, 1 BvR 807/80) das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen von Lohnsteueranmeldungen (§ 6 N4. 4 StBerG) gestattet sind.
Das Anfertigen der UStVA hingegen ist den steuerberatenden Berufen noch immer vorbehalten. Die Klage einer als selbstständige Buchhalterin tätigen Diplom-Kauffrau (FH), die das ändern sollte, wies das Finanzgericht Sachsen 2014 (2 K 580/14) ab. Auch die Revision vor dem Bundesfinanzhof (II R 22/15) brachte im Juli 2017 kein anderes Ergebnis. Wie der BVBC auf Anfrage beim BVerfG erfahren hat, legte die Klägerin inzwischen Verfassungsbeschwerde (1 BvR 2288/17) ein. Dem Gericht obliegt nun die Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit des Verbots.
Aufgrund früherer Entscheidungen des BVerfG hält der BVBC einen positiven Ausgang der Beschwerde für wahrscheinlich. „Die vom BVerfG vorgetragenen Argumente, die zu einer Öffnung der Buchführungsprivilegien führten, lassen sich auch auf die Erstellung der UStVA übertragen. Das hat das von uns in Auftrag gegebene Rechtsgutachten eindrücklich belegt“, erklärt Uta-Martina Jüssen, BVBC-Präsidiumsmitglied und selbstständige Bilanzbuchhalterin.
Die Argumente des Gutachtens im Überblick
- Grundlegende umsatzsteuerliche Entscheidungen fällen selbstständige Buchhalter bereits beim Buchen der laufenden Geschäftsvorfälle, das ihnen gemäß § 6 Nr. StBerG gestattet ist. Die Erstellung der UStVA erfordert in der Regel keine darüberhinausgehenden Kenntnisse und geschieht bei Verwendung aktueller Programmen aufgrund zuvor eingegebener Daten automatisch per Knopfdruck.
- Die UStVA wird in der Praxis selten von den Berufsträgern selbst angefertigt. Für gewöhnlich übernehmen dies bei ihnen angestellte Buchhalter, Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirte. Wie das BVerfG aber bereits 1980 entschieden hat (1 BvR 697/77), ist eine Unterscheidung zwischen Angestellten und Selbstständigen nicht zulässig. Es sei ist nicht ausschlaggebend, ob der selbstständige Buchhalter oder der steuerliche Berater Verantwortungsträger ist.
- Steuerpflichtige werden durch einen Wegfall des Verbots nicht übermäßig gefährdet. Da die UStVA lediglich vorläufigen Charakter hat, können Kontrollen und gegebenenfalls nötige Korrekturen bei den Jahresabschlussarbeiten durch die steuerberatenden Berufe erfolgen. Dieses Argument führte das BVerfG bereits 1982 (BvR 807/80) an, als es das bis dahin für selbstständige Buchhalter geltende Verbot der laufenden Lohnbuchhaltung für verfassungswidrig erklärte.
- Schwierige Einzelfälle rechtfertigen kein generelles Verbot. Das entschied das BVerfG bereits in seinen beiden vorangegangenen Urteilen. Aufgrund ihrer kaufmännischen Ausbildung und Prüfung seien Buchhalter in der Lage, „die Grenzen ihrer Beurteilungsfähigkeit und die Notwendigkeit einer besonderen, insbesondere steuerrechtlichen Betrachtung einzelner Vorgänge zu erkennen und dann Weisungen des Auftraggebers oder dessen steuerrechtlichen Beraters einzuholen“ (1 BvR 697/77, 1 BvR 807/80).
Das Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung des Anfertigens der UStVA auf steuerberatende Berufe mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht vereinbar ist. Der BVBC spricht sich aufgrund dieser Erkenntnisse sowie der Praxisferne des derzeitig gültigen Verbots für eine weitere Öffnung der Buchführungsprivilegien aus. „Wir hoffen, dass das BVerfG auf einer Linie mit seinen früheren Entscheidungen bleibt. Eine anhaltende gesetzlich legitimierte Diskriminierung selbstständiger Buchhalterinnen und Buchhalter darf es in Deutschland nicht geben“, fordert BVBC-Sprecherin Jüssen.
Das vollständige Gutachten ist online abrufbar: www.bvbc.de/gutachten