Nach Ansicht eines Generalanwalts am europäischen Gerichtshof muss Deutschland seinen Steuerberatermarkt öffnen. Momentan verstoße das Land gegen den freien Dienstleistungsverkehr und geltendes EU-Recht, indem es Steuerberatungsgesellschaften aus anderen EU-Mitgliedsstaaten untersagt, nicht für Mandanten in Deutschland arbeiten zu dürfen (EuGH, Schlussanträge v. 1.10.2015 in der Rs. C-342/14).
Generalanwalt Pedro Cruz Villalón widerspricht in seinem Gutachten insbesondere der Argumentation der Bundesregierung, dass nur ausgebildete Steuerberater mit abgelegter Prüfung Mandanten vor fehlerhafter Beratung schützen könnten. Nach deutschem Steuerberatungsgesetz sei nämlich eine Vielzahl anderer Berufsgruppen auch ohne diese zur Hilfe in Steuersachen befugt (Notare, Patentanwälte, Lohnsteuerhilfevereine, ausländische Kreditinstitute etc.). „Unter diesen Umständen kann die deutsche Regierung schwerlich behaupten, dass die deutsche Regelung durch die Anforderungen an die Berufsqualifikation der für die Leitung von Steuerberatungsgesellschaften Verantwortlichen die Empfänger von geschäftsmäßigen Hilfsleistungen in Steuersachen in systematischer und kohärenter Weise schützt“, so Cruz Villalón in seinem Gutachten.
Dem Gutachten des Anwalts liegt die Klage einer britischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Großbritannien zu Grunde, die bereits vor zwei Jahren über das Finanzgericht Niedersachsen (6 K 152/12) bis zum Bundesgerichtshof zog. Dieser wiederum bat den EuGH im vergangenen Jahr, die deutsche Gesetzeslage nach europäischem Recht zu prüfen. Sollte die Klägerin erfolgreich sein, würde das eine erneute Änderung des Steuerberatungsgesetzes erfordern. Mit einem Urteil ist allerdings erst in einigen Monaten zu rechnen. Für gewöhnlich folgen die Richter darin jedoch den Schlussanträgen der Generalanwälte.