In Deutschland ist Bürokratie nicht nur ein alltägliches Phänomen – sie ist auch eine Quelle unerschöpflicher Absurditäten und humorvoller Geschichten. Ralf Sikorski, Diplom-Finanzwirt und ehemaliger Steuerfachmann, hat sich diesen Skurrilitäten verschrieben und sie in unterhaltsamen Sammlungen festgehalten. Im Rahmen des Kaminabends (07.05.2025) des Wissenschaftlichen Instituts des BVBC (WIB) wird er am Vorabend der Kongressmesse ReWeCo 2025 in Mannheim aus seinem Buch „Im Namen des Volkes“ vorlesen.
Im Gespräch mit Daniel Momberg aus der BVBC-Geschäftsstelle gibt er einen kleinen Vorgeschmack auf seine humorvolle Auseinandersetzung mit den Eigenheiten des deutschen Steuerrechts und der Justiz.
Daniel Momberg: Herr Sikorski, Sie lesen beim Kaminabend aus Ihrem Buch „Im Namen des Volkes“ vor. Was hat Sie inspiriert, dieses Buch zu schreiben, und wie entstand die Idee?
Ralf Sikorski: Ich habe mehrere Stilblütensammlungen herausgegeben. Bei Recherchen zu diesen Büchern habe ich ein Urteil des BFH zum „Schlafenden Richter“ entdeckt und beschlossen, weitere derart verrückte Urteile aufzustöbern und zu veröffentlichen. Sie ahnen gar nicht, was man gerade im Netz alles so findet.
Sie haben einen humorvollen Blick auf die deutsche Justiz und Bürokratie geworfen. Haben Sie während Ihrer beruflichen Laufbahn Momente erlebt, bei denen Sie dachten: „Das glaubt mir niemand, das muss ins Buch!“?
Bei meinem Antritt als Sachgebietsleiter in einem Finanzamt entdeckte ich auf dem schwarzen Brett vor der Kantine eine Postkarte. Motiv: schottisches Hochland. Text: "Liebes Finanzamt, ich gebe hier die Kohle aus, die eigentlich euch zusteht. Bitte nicht böse sein."
Ihr Buch nimmt die „Regelungswut“ in Deutschland humorvoll aufs Korn. Was denken Sie: Warum gibt es gerade in Deutschland so viele „absurde“ Regelungen?
Die Europäer im Allgemeinen und wir Deutschen im Besonderen haben offenbar den bürokratischen Regelungswahn im Blut. Und wir glauben immer noch, wir sind das Volk der Dichter und Denker, unsere Prosa sind heute aber Gesetzestexte. Schauen Sie sich nur den aktuellen Wahlkampf an: Politiker aller Couleur fordern ungefiltert Gesetze, die wir längst schon haben, und bürden damit den jetzt schon völlig überforderten Behörden weitere, unkontrollierbare Aufgaben auf. In Deutschland herrscht der Irrglaube, dass man Dinge, die einem nicht gefallen, nur verbieten muss, dann verschwinden sie schon.
Haben Sie ein persönliches Lieblingsbeispiel aus Ihren Büchern, dass die Teilnehmenden des traditionellen WIB-Kaminabends besonders zum Lachen bringen könnte?
Das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach zur Frage, ob zwei Einzelbetten anstelle eines Doppelbettes im Urlaubshotel einen Reisemangel wegen Störung der Schlaf- und Beischlafgewohnheiten einen Reisemangel darstellen, ist unübertroffen.
Sie haben nicht nur dieses, sondern auch andere humorvolle Bücher geschrieben. Gibt es ein bestimmtes Thema, das Sie immer wieder inspiriert?
Ich habe neben meinen Fachbüchern auch unzählige Fachbeiträge für Zeitschriften geschrieben, von denen es im Steuerrecht ja ausreichend gibt. Und solange es Menschen gibt, die glauben, gerade das Steuerrecht sei ein Geschenk des Gesetzgebers an die Wissenschaft, wird der Wunsch gerade nach einem einfachen Steuerrecht unerfüllt bleiben. Und ich werde nicht müde, diesen bürokratischen Unfug zu kommentieren.
Nicht nur die Leserinnen und Leser Ihrer Bücher, sondern auch die Teilnehmende Ihrer Vorträge und Seminare schätzen Ihren Humor. Gibt es Autorinnen bzw. Autoren oder Stilrichtungen, die Sie selbst beeinflusst haben?
Nicht, dass ich mich mit Ihnen vergleichen möchte, aber der trockene Humor Loriots und Dieter Nuhrs sind eine Inspiration.
Was erwarten Sie sich vom Kaminabend und worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie vor Fachpublikum lesen?
Ich habe 2022 aus meinem Buch „Von Steuereintreibern und anderen Blutsaugern“ am Kaminabend vor der ReWeCo in Essen gelesen. Ausverkauftes Haus, alle hatten gute Laune, nachdem das Gespenst Corona langsam wieder verschwand. Es wäre schön, wenn sich diese Stimmung mit vielen, vielen Zuhörern wiederholen könnte.
Wenn Sie uns eine Botschaft mitgeben könnten, welche wäre das?
Ich halte es gern mit den Richtern des Finanzgerichts Köln, die 2010 entschieden haben: „Die Tätigkeit eines Steuerberaters kann auch vornehmlich zum Zwecke der Befriedigung persönlicher Neigungen betrieben werden.“ Positiv denken: wir lieben unseren Beruf und es wird nie langweilig.
Zum Abschluss: Arbeiten Sie aktuell an neuen Projekten oder haben Sie Pläne für ein weiteres Buch?
Ich habe die Absicht, solche Buchlesungen oder humorvollen Vorträge jetzt häufiger zu halten, das macht mehr Spaß, als steuerrechtliche Vorträge – mir und den Zuschauern. Ich habe schon mehrere solcher Lesungen gehalten, unter anderem im Herbst 2022 zum Jubiläum eines Landesverbandes in Bad Oeynhausen.
Vielen Dank für das Interview und die aufschlussreichen Antworten, Herr Sikorski – wir freuen uns auf Ihren Auftritt auf dem kommenden WIB-Kaminabend!
Kurzvita:
Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski hat viele Jahr als Dozent an der Hochschule für Finanzen in Nordrhein-Westfalen mit den Schwerpunkten Umsatzsteuer und Abgabenordnung unterrichtet und versucht, jungen Menschen das Steuerrecht nahe zu bringen. Später war er Sachgebietsleiter in diversen Finanzämtern und Funktionen, zuletzt war er Leiter der Betriebsprüfungsstelle in einem großen Finanzamt im Westmünsterland. Daneben war er mehr als 30 Jahre als Unterrichtender in Bilanzbuchhalter- und Steuerberaterlehrgängen unterwegs. Seine Dozentenrolle nimmt er heute immer noch bei Fortbildungsveranstaltungen wahr. Darüber hinaus hat er sich als Autor diverser steuerlicher Lehr- und Praktikerbücher sowie Herausgeber eines Kommentars zur Abgabenordnung einen Namen gemacht. Seine Stilblütensammlungen „Meine Frau ist eine außergewöhnliche Belastung“, „Wo bitte kann ich meinen Mann absetzen“, „Ich war Hals über Kopf erleichtert“ und „Im Namen des Volkes“ sowie das Märchenbuch „Von Steuereyntreibern und anderen Blutsaugern“ runden sein vielfältiges Tätigkeitsbild ab.
Noch mehr von Ralf Sikorski gibt es auf der ReWeCo 2025
Im Gespräch mit Ralf Sikorski hat der BVBC einen humorvollen Blick auf die Eigenheiten des deutschen Steuerrechts und der Bürokratie geworfen. Wer mehr von ihm erfahren möchte, hat beim WIB-Kaminabend am 7. Mai 2025 die Gelegenheit, ihm bei einer Lesung aus seinem Werk „Im Namen des Volkes“ zu lauschen. Der Kaminabend bildet den Auftakt zur Kongressmesse ReWeCo, die der BVBC vom 8. bis 10. Mai 2025 organisiert.
Teilnehmenden bietet die Veranstaltung in Mannheim nicht nur die Lesung von Sikorski, sondern auch zwei Vorträge des Autors: „Berichtigung von Rechnungen im Umsatzsteuerrecht“ und „Steuerliche Nebenleistungen nach der Abgabenordnung“. Mehr Infos zum Programm und der begleitenden kostenfreien Fachmesse gibt es unter: reweco.de.