Im Namen des BVBC und weiteren Verbänden der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) reichte Andreas Lutz, BAGSV-Sprecher und Vorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD), im Mai (vgl. BVBC-News vom 29.05.) eine Petition im Bundestag ein, weil die Corona-Hilfen nicht bei Selbstständigen ankämen. Diese Woche fand nun die Anhörung vor dem Petitionsausschuss statt.
Über ein halbes Jahr nachdem der BVBC gemeinsam mit der BAGSV die Bundestagspetition „Verlängerung und rechtssichere Ausgestaltung von Soforthilfen für Selbstständige“ (PDF) eingereicht hatte, konnte BASGV-Sprecher Andreas Lutz am Montag, 7. Dezember 2020, vor dem Petitionsausschuss sprechen. Mit 58.485 Mitzeichnern gehört die Petition zu den 25 erfolgreichsten Bundestagspetitionen aller Zeiten. Von Regierungsseite war der Anhörung aus dem Bundeswirtschaftsministerium der für die Hilfen zuständige parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß per Video zugeschaltet, es kam zum Schlagabtausch innerhalb der Fragerunde.
Lutz erklärte in seinem Eingangsstatement, warum die bisherigen Corona-Hilfen bei vielen Betroffenen nicht angekommen sind. Er forderte statt des bisherigen „Flickenteppichs“ eine bundeseinheitliche, brachenübergreifende sowie unbürokratische Hilfe ohne Steuerberater, die nach betriebswirtschaftlichen Kriterien vergeben wird.
Im Schlagabtausch mit Lutz geriet Staatssekretär Thomas Bareiß in die Defensive. Immer wieder verwies er die Betroffenen auf Hartz IV. Das Ministerium habe ihre Not erkannt und bekenne sich klar zu den Selbstständigen. Mit Sofort- und Überbrückungshilfe habe man schnell geholfen, wenn auch nur in Hinblick auf die Fixkosten. Bewusst habe man sich in Hinblick auf die Lebenshaltungskosten für Hartz IV entschieden: „Ich möchte noch einmal klar und deutlich sagen, dass die Grundsicherung wirklich jedem zur Verfügung steht. Jeder kann diese Grundsicherung beantragen. Ich weiß nicht, warum Sie jetzt einmal auf 80 und 90 Prozent kommen, die die Grundsicherung nicht beantragen können, das ist meines Erachtens nicht richtig. Wie gesagt: Jeder kann Grundsicherung beantragen, der von der Pandemie getroffen ist.“
Diese Aussagen decken sich jedoch nicht mit den Erfahrungen der betroffenen Selbstständigen. Lutz bittet diese, sich mit ihren „Einzelfällen“ an Staatssekretär Bareiß zu wenden, wozu dieser aufgefordert hatte.
Das Problem: Die Mehrzahl der Betroffenen hat aufgrund ihrer privaten Altersvorsorge keine wirksame Hilfe erhalten, musste daher Ersparnisse aufbrauchen und teilweise langfristige Altersvorsorgeverträge unter Verlusten auflösen. Mit Sorge sieht Lutz, dass nun Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mitten in der Krise die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige ankündigte, die den Betroffenen zusätzliche Bürokratie bescheren wird und es schwerer machen wird, das aufgebrauchte Eigenkapital wieder aufzubauen.
„Angesichts der bisher wenig wirksamen Hilfen“ verlangte Lutz daher „umso dringlicher Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, uns aus eigener Kraft aus der Krise herauszuarbeiten. In der Petition fordern wir deshalb bürokratie- und belastungsarme Jahre.“ Lutz zufolge müsse es etwa aufhören, dass Gründerinnen und Gründer und Teilzeitselbstständige aufgrund hoher Mindestbeiträge und unfairer Berechnungsmethoden 40 Prozent und mehr allein für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen müssen. In Verbindung mit der Altersvorsorgepflicht würde sich die Summe aus Belastungen auf bis zu 60 Prozent erhöhen.
Der Petitionsausschuss wird mit Regierungsmehrheit ein abschließendes Votum in einer seiner späteren Sitzungen fällen. Wie das Ergebnis dann auch ausfallen mag: In der Anhörung ist deutlich geworden, dass die Lebenswirklichkeit der Selbstständigen von den Regierenden nicht ausreichend wahrgenommen wird. Daher Lutz‘ abschließender Appell am Ende der Anhörung: „Helfen Sie uns wirksam, bekämpfen Sie uns nicht“.
⇒ zum Videomitschnitt der Ausschusssitzung