Eine Studierendengruppe der Hochschule Augsburg untersucht aktuell im Rahmen des vom BVBC unterstützten Projekts „Digitalisierung im Controlling“, welche aktuellen und zukünftigen Entwicklungen sich in Controlling-Abteilungen abzeichnen. Die Hochschulprofessoren Dr. Nicolas Warkotsch und Dr. Georg Erdmann begleiten das Projekt und erklären im Interview mit Kenan Häberle aus der BVBC-Geschäftsstelle, was die Digitalisierung für das Controlling bedeutet.
Was bedeutet Digitalisierung im Controlling eigentlich? Und wo stehen wir heute und wo sehen Sie Controllerinnen und Controller in fünf oder zehn Jahren?
Prof. Dr. Georg Erdmann: Unter Digitalisierung im Controlling wird häufig der Einsatz „moderner“ Technologien verstanden. Dazu zählen Analysen von großen Datensätzen („Big Data“), automatisiertes Reporting oder auch Mobile Cloudlösungen.
Digitalisierung ist aber mehr als nur die Nutzung neuer Technologien, Digitalisierung sollte auch als Chance oder sogar Verpflichtung verstanden werden, bestehende Geschäftsmodelle und Prozesse zu hinterfragen. Das scheint nach meiner Wahrnehmung noch nicht in allen Controllingabteilungen angekommen zu sein.
Der Controller ist heute nach wie vor eingebunden in Unternehmensplanung, Abweichungsanalyse und Reporting. Noch zeigt sich keine „Arbeitserleichterung“ im täglichen Doing, auch wenn dies in der wissenschaftlichen Forschung zum Controlling häufig schon postuliert wird.
Der Controller wird auch in den kommenden Jahren seine große Bedeutung behalten. Zum einen ist die Schaffung von Transparenz und die Erläuterung von Ergebnissen auch in einer digitalisierten Welt entscheidende Aufgabe. Zum anderen führt die zunehmende Komplexität in der Unternehmensumwelt dazu, dass Führungskräfte immer mehr Unterstützung durch ihren „Berater“ – eben den Controller – benötigen werden.
Prof. Dr. Nicolas Warkotsch: Das „Material“, mit dem Controller arbeiten, sind Informationen. Damit bieten sich Methoden der IT naturgemäß zur Unterstützung der Controllingtätigkeiten an. Die Idee der Digitalisierung geht jedoch weiter, indem die IT-Unterstützung für Controllingprozesse automatisiert ablaufen soll. Gute Beispiele hierfür sind Robotic Process Automation (RPA) oder Self-Service Reporting. Bei RPA werden einfache, repetitive Prozesse weitestgehend unabhängig von manuellen Eingriffen automatisch ausgeführt. Das Self-Service Reporting verlagert die Informationsaufbereitung und zum Teil auch die Informationsanalyse auf die Seite des Berichtsempfängers, indem über einfache Benutzeroberflächen ein direkter Zugriff auf die relevanten Informationen gewährleistet wird.
Aus meiner Sicht stehen wir hierbei erst am Anfang der Entwicklung. Größere Unternehmen experimentieren im Rahmen von Pilotprojekten schon seit ein paar Jahren mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung. Als Beispiel können Methoden der Predictive Analytics genannt werden, mit denen die Prognosefähigkeiten der Unternehmen verbessert werden können. Die Erfahrungen sind vielversprechend. In der Breite der Anwendungsmöglichkeiten bzw. über Branchen- und Unternehmensgrößen hinweg gibt es jedoch noch viel Luft nach oben. Die Leistungsfähigkeit der IT spielt hier keine große Rolle mehr. Eine leichte Anwendbarkeit der Methoden nicht nur für IT-Experten, sondern für die Mitarbeiter im Controlling ist der größere Umsetzungstreiber. In 10 Jahren wird vieles davon selbstverständlich sein.
Machen die Möglichkeiten der Digitalisierung den Menschen irgendwann überflüssig?
Erdmann: Das sehe ich nicht. Gerade die aktuelle Situation mit Videokonferenzen etc. zeigt, wie wichtig der persönliche Umgang miteinander ist. Daneben sind die oben beschrieben Tendenzen einer Komplexitätserhöhung Ausdruck dafür, dass „wirkliche“ Intelligenz (und nicht nur „künstliche Intelligenz“) gefragt sind.
Warkotsch: Da schließe ich mich an. Es wird vielmehr zu einer Verlagerung hin zu anspruchsvolleren Tätigkeiten kommen. Die Ansprüche an die Interpretations- und Analysefähigkeit von Controllern wird noch weiter zunehmen. Wenn die Digitalisierung von einfachen Tätigkeiten befreien kann, ist das nur vorteilhaft. Es wird nicht weniger Controller geben, sondern der Output der Controllingabteilungen wird wertvoller sein.
Die Digitalisierung verändert zahlreiche Berufsbilder – was raten Sie Fachkräften, um sich zukunftssicher aufzustellen und weiterhin attraktiv für den Arbeitsmarkt zu sein?
Erdmann: Neben den unabdingbaren EDV-Kenntnissen und Kompetenzen im Bereich der Finanzen sollten Controller auch darum bemüht sein, als Unterstützer, als Partner, als Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Sogenannte Soft Skills wie rhetorische Fähigkeiten, Diplomatie und Empathie werden in einer digitalisierten Welt noch größere Bedeutung erlangen als heutzutage.
Warkotsch: Controller müssen keine IT-Spezialisten sein. Sie müssen jedoch die Digitalisierung insoweit verstehen, dass sie Potentiale für das Unternehmen und die eigene Abteilung erkennen und als Umsetzungspartner für die IT dienen können. Das bisherige Anforderungsprofil bleibt, wie vom Kollegen beschrieben, erhalten. Es wird jedoch um ein tieferes IT- und Prozessverständnis ergänzt. Unseren eigenen Studenten rate ich, offen für Neues zu bleiben. Das scheint am zukunftssichersten zu sein.
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