Das Bundesfinanzministerium sieht das Thema „Befugniserweiterung“ weiterhin kritisch – so das Ergebnis eines Gesprächstermins der Mittelstandsallianz im März. Für Folgegespräche sei man jedoch offen.
Nachdem in 2019 mehrere Termine seitens des Bundesfinanzministeriums abgesagt werden mussten, fand am 02. März 2020 schließlich der lang avisierte Termin der Mittelstandsallianz im Ministerium statt. Sarah Ryglewski, seit 2019 parlamentarische Staatssekretärin im BMF, und insgesamt sieben hochrangige Mitarbeiter der einzelnen Abteilungen und Referate stellten sich den Themen der anwesenden Verbände.
Markus Kessel, Geschäftsführer des BVBC, kam nach einer kurzen Vorstellung der Mittelstandsallianz, als erster Verbandsvertreter zu Wort. Er konfrontierte das Ministerium mit dem Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2018/2171), das die Europäische Kommission im Sommer 2018 gegen die Bundesregierung eingeleitet hat. Hintergrund: Die Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater seien unverhältnismäßig und verstießen gegen EU-Recht. Kessel fragte die parlamentarische Staatssekretärin, wie sich das BMF in der Angelegenheit positioniere. Zuständig für die Koordinierung des Verfahrens ist allerdings das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auf Anfrage des BVBC hieß es von dort, dass die Europäische Kommission im März 2019 eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgegeben habe, auf die die Bundesregierung im Mai 2019 geantwortet habe. Inhaltlich könne man jedoch keine Angaben machen, da die Schriftwechsel zwischen den Dienststellen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland in laufenden Vertragsverletzungsverfahren der Vertraulichkeit unterlägen.
Ryglewski, sei 2015 Bundestagsabgeordnete, erklärte, dass das Ministerium die Auffassung der EU-Kommission nicht teile. Stattdessen verwies sie auf die historisch gewachsene Ausprägung des deutschen Steuerberatungsgesetzes. Es gäbe demnach keinen Handlungsbedarf. „Gut möglich, dass erst der Europäische Gerichtshof in diesen Konflikt eingreifen muss, um aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen für Klarheit zu sorgen“, gibt Kessel zu bedenken. „Da sich ein solches Verfahren lange hinziehen würde, könnte man die Haltung des Ministeriums auch als Spiel auf Zeit verstehen.“
Kessel wies die Vertreter des Ministeriums im weiteren Gesprächsverlauf darauf hin, dass es neben dem EU-Vertragsverletzungsverfahren auch nationale Beweggründe für eine Änderung des Steuerberatungsgesetzes gebe: „Aus BVBC-Sicht ist eine praxisorientierte Änderung seit Jahren überfällig. Die gelebte Praxis lässt allzu viele Grauzonen entstehen, die ausschließlich aus einer dem technischen Fortschritt nicht mehr entsprechenden Gesetzeslage resultieren. Tausende selbstständige Buchhalter und Bilanzbuchhalter warten darauf, endlich vollumfänglich, rechtlich abgesichert, und entsprechend ihrer staatlich geprüften Qualifikation für ihre Mandanten tätig zu werden. Durch eine Änderung des Steuerberatungsgesetzes würden auch die Finanzbehörden entlastet und öffentliche Kosten für Abmahnverfahren könnten eingespart werden.“
Aus den Reihen des Finanzministeriums reagierte Dr. Rolf Möhlenbrock, Leiter der zuständigen Abteilung IV „Steuerabteilung - direkte Steuern“, und verwies sehr allgemein auf die Komplexität der Umsatzsteuer. Aufgrund derer stehe das Ministerium einer schnellen Befugniserweiterung etwa zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung durch selbstständige Buchführungsbüros und Bilanzbuchhalter weiterhin kritisch gegenüber.
„Einer Sache kritisch gegenüberzustehen bedeutet jedoch nicht, sie zwangsläufig auch abzulehnen“, resümiert Kessel. „Ich habe daher die Gesprächsrunde genutzt und einen individuellen Folgetermin mit dem Ministerium festgehalten. Wir werden berichten, wie es in dieser Angelegenheit weitergeht“,
Neben den regelmäßigen Terminen im Rahmen der Mittelstandsallianz setzt sich der BVBC auch in der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (bagsv) zusammen mit anderen Organisationen für faire gesetzliche Regelungen ein.