Im Herbst 2015 sprachen sich Haupt- und Ehrenamtliche auf der ersten BVBC-Konferenz für eine gemeinsame Marschrichtung aus. Die Ziele für eine erfolgreiche Verbandszukunft formulierte das Präsidium in der Agenda 2020. Im Interview mit Kenan Häberle aus der BVBC-Geschäftsstelle verraten Präsident Jörg Zeyßig und Vizepräsidentin Uta Jüssen, wie ihr Fazit ausfällt.
Zeit zur Reflektion und Prüfung: Was hat die Agenda 2020 gebracht und wo steht der Verband heute? Über fünf Jahre ist es her, dass das Präsidium seine Ziele in der Agenda 2020 festgeschrieben und im Rahmen der BVBC-Konferenz vorgestellt hat. Im Fokus standen dabei insbesondere folgende Vorhaben:
- Mitgliederbindung und Mitgliederentwicklung stärken
- Organisationsstruktur des Gesamtverbands vereinfachen und vereinheitlichen
- Berufsbild fördern und Änderung des Steuerberatungsgesetzes erwirken
Kenan Häberle: Herr Zeyßig, seit 2015 engagieren Sie sich im BVBC-Präsidium. Anfangs als Vize-Präsident, seit 2018 als Präsident. Die Agenda 2020 haben Sie selbst mit auf den Weg gebracht. Wie lautet Ihr Fazit nun zum Jahresende?
Jörg Zeyßig: Manchmal ist auch der Weg das Ziel…das klingt vielleicht etwas phrasenhaft, aber trifft auf diesen Prozess zu. Was uns auf alle Fälle gelungen ist, war die Einbeziehung der Ehrenamtlichen. Das war uns als Kulturelement des Miteinanders wichtig und hat zu ganz neuen Aspekten und Diskussionen geführt.
Die veränderte Organisationsstruktur hat mit der Delegiertenversammlung ein komplett neues Gremium der Mitsprache geschaffen. Um es deutlich zu sagen: Das Präsidium hat hier keinerlei Stimmrechte und begibt sich auch mit seinen Zukunftsvorstellungen voll in die Verantwortung der Delegierten. Da spiegelt sich ganz viel Vertrauen in die Arbeit der Vertreter der Regionen wider, demokratischer kann ein Prozess kaum sein. Und die Botschaft ist klar: Wir alle arbeiten an der Zukunft unseres Verbands mit. Der Weg dahin war nicht immer einfach und hatte sicherlich auch den ein oder anderen handwerklichen Fehler, den wir uns als Präsidium ankreiden lassen müssen. Nicht jeder wollte diesen Schritt mit uns gehen, andere haben wir auch wieder neu begeistern können. Wesentlich bleibt, dass es ein gemeinsam durchlebter Prozess war.
Bei der Mitgliedergewinnung sind wir hinter unseren Zielen geblieben, aber wir haben mit der Ausbildungsmitgliedschaft etwas probiert, was im ersten Schritt erfolgreich war. Und es war ein Erfolg, dass am Ende alle Regionen und Landesverbände nach zähem Ringen durch die Änderung der Finanzierung dieses Konzept mitgetragen haben. Wir müssen jetzt noch an der Nachhaltigkeit arbeiten, liegen aber dort über den anfangs gesteckten Zielen.
Was die Befugniserweiterung betrifft, gibt es sie heute noch nicht. Aber wir haben es geschafft, dass die Qualität der von uns geführten Gespräche eine andere Ebene erreicht hat. Wir bauen in den letzten Jahren konsequent auf die Vernetzung, weil wir erkannt haben, dass hierin noch einmal ein besserer Türöffner liegt. So konnten wir in Zusammenarbeit mit der Mittelstandsallianz einige Gespräche mit Ministern und Mitgliedern des Parlaments führen. Oder ich möchte an den viel beachteten Auftritt von Professor Dr. Paul Kirchhof auf der ReWeCo 2019 erinnern. Ein ehemaliger Verfassungsrichter auf unserer Seite, das war schon eine kleine Sternstunde.
Häberle: 2021 stehen Präsidiumswahlen an – Sie treten erneut als Präsident an. Sollten Sie wiedergewählt werden, wird es dann eine Agenda 2.0 geben?
Zeyßig: Ziel erreicht – gebt mir ein neues? Wie gesagt: die nachhaltige Mitgliedergewinnung und die Befugniserweiterung sind noch offen und liegen hinter den ursprünglichen Zielen. Hier werden wir unsere Strategie noch einmal überdenken bzw. unsere Bemühungen noch verstärken. Im Bereich der Rechte der Bilanzbuchhalter*innen wird das verstärkt die Begleitung von Klageverfahren am EuGH sein.
Im Bereich der Mitgliedergewinnung stellt sich langsam die Frage: Wie hip ist so ein Verband noch? Wir haben viel getan, um die Vorteile einer Mitgliedschaft nach vorne zu bringen. Durch die Einbindung des kostenfreien Abonnements in die Mitgliedschaft müsste zum Beispiel jede*r FOCUS-Lesende Mitglied bei uns werden. Warum ist das aber nicht so? Daher müssen wir über andere Kompensationsmöglichkeiten nachdenken, um die notwendigen wirtschaftlichen Bedarfe unseres Verbands langfristig zu sichern. So lief in den letzten Jahren der wirtschaftliche Betrieb mit ReWeCo, Seminaren und Sponsoring sehr erfolgreich. Hier könnte in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt liegen.
Und wir müssen auch erkennen, dass ein Verband in unserer Größe auf Dauer nicht die notwendige Lobbyarbeit selbst erledigen kann, aber auf der Seite viel mehr Personen vertritt, als bei ihm Mitglied sind. Es gibt in der Bundesrepublik keinen Verband, der Lobbyarbeit für die Belange aller in Finanzberufen arbeitenden Menschen macht. Da wir aus der Vernetzung der letzten Jahre gelernt haben, liegt hierin vielleicht ein Schlüssel für unsere Zukunft. Ansonsten lebe ich den Traum weiter, den vermutlich alle Präsidentinnen und Präsidenten schon vor mir geträumt haben: Wenn ich die Befugniserweiterung bekannt geben dürfte – ja, das wär schon gut.
Häberle: Seit 2014 sind Sie Mitglied des Präsidiums, Frau Jüssen – bis 2018 als Beisitzerin, seit inzwischen zweieinhalb Jahren als Vizepräsidentin. Was hat sich in dieser Zeit für Sie verändert?
Uta-Martina Jüssen: Als ich 2014 Mitglied des Präsidiums wurde, befand sich viel im Umbruch. Einige Weichen waren gestellt, die es hieß weiter in die richtigen Bahnen zu lenken. So fand zum ersten Mal in 2015 eine BVBC-Konferenz statt. Einheitliches Ziel war es, alle BVBC-Funktionäre und Ehrenamtler regelmäßig an einen Tisch zu bekommen. Die Konferenzen waren ein wichtiger Meilenstein für die Zukunft des Verbandes, um die Weiterentwicklung des Verbandes auf eine breitere Basis zu stellen.
Eine weitere wichtige Entwicklung in den Jahren war die Präsenz des Verbandes in den neuen Medien und der Start mit einer neuen Homepage in 2016. Dank dieser Entwicklung und insbesondere durch den unermüdlichen Einsatz der gesamten Geschäftsstelle erreichen wir heute eine noch größere und auch jüngere Zielgruppe.
Durch meinen Wechsel als Arbeitskreisleitung der Selbstständigen ins Präsidium wurden die Belange der Selbstständigen noch weiter in den Fokus gerückt. Ein großes Vorbild war Heike Kreten-Lenz und ihr Kampf auf politischer Bühne zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes. Schnell war uns durch viele politische Termine klar, dass der Kampf noch lange andauern würde. Wir mussten zusätzlich andere Wege gehen, um auch hier durch den Aufbau eines Netzwerkes die Arbeit des Verbandes und die Unsäglichkeit der Einschränkungen durch das Steuerberatungsgesetz mehr in die Öffentlichkeit zu bringen.
Bei allen Terminen stellte sich schnell heraus, dass die Thematik in der Politik ankommt. Mit der Beauftragung und Veröffentlichung eines Gutachtens erlangte die Thematik der Befugniseinschränkung auch bei Gericht und immer häufiger bei Veröffentlichungen durch die Steuerberater an Gewicht. Immer mehr Klageverfahren werden durch Mitglieder, die sich dieser Situation nicht mehr länger aussetzen möchten, angestrebt. Der BVBC begleitet fast alle Verfahren. Durch den vor Jahren gefällten Mitgliederbeschluss des Aufbaus eines Solidarfonds und die Unterstützung der Klagenden hieraus können die Verfahren auch durch weitere Instanzen getrieben werden.
Häberle: Die Agenda 2020 war auf fünf Jahre angelegt. Gehen wir einen Schritt weiter: Wo sehen Sie den BVBC in zehn Jahren?
Jüssen: Fünf Jahre sind gemessen an den Aufgaben und einer stetigen Weiterentwicklung des Verbandes eine kurze Zeit. Die Agenda 2020 war ein erster Meilenstein. Die hierin festgelegten Ziele und Vorhaben müssen weiterverfolgt und gefestigt werden.
Nicht nur der BVBC, sondern jeder Verband spürt seit Jahren die Veränderung und das mangelnde Interesse an Vereins- bzw. Verbandsarbeit. Durch die Einbindung der Mitglieder in die Ausrichtung des Verbandes und durch die Verschlankung der Gremien ist ein weiterer Schritt getan, den Verband nach vorne zu bringen. Das Berufsbild des Bilanzbuchhalters und des Controllers hat einen wichtigen Platz in der Wirtschaft, auch im internationalen Bereich, gefunden. Mit der uns eigenen Expertise werden wir zukünftig eine noch größere Säule in der Berufslandschaft darstellen.
Die prognostizierte Veränderung durch die zunehmende Digitalisierung wird das Berufsbild der Bilanzbuchhalter und Controller nicht verschwinden lassen. Auf den Stellenmarkt dieser Berufsgruppen hat die Digitalisierung aus meiner Sicht und Erfahrung keine oder sehr verzögerte Auswirkung. Durch die breit aufgestellten Kenntnisse und Fähigkeiten ist und wird sowohl der Bilanzbuchhalter als auch der Controller ein begehrter Mitarbeiter in vielen Unternehmen sein. Schon heute ist auch in der aktuellen Krisenzeit zu spüren, dass diese beiden Berufsgruppen auf dem Markt heiß begehrt sind. Das wird auch den Berufsverband weiter voranbringen. Insbesondere im Bereich der Weiterbildung werden wir mehr in den Fokus rücken.
Durch ein anhängendes Vertragsverletzungsverfahren innerhalb der EU wird auch das Steuerberatungsgesetz auf internationaler Ebene weiter auf den Prüfstand gesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung hierauf reagiert und zu welcher Stellungnahme bzw. Änderung die Aufforderung durch die EU-Kommission führt. Wir als Verband werden weiter in dieser Sache kämpfen.
Die Zukunft des Verbandes sehe ich sehr positiv, solange wir den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen und unsere Ziele nicht aus den Augen verlieren.
Mitglieder-Feedback
Wie ist Ihr Blick auf den Verband? Haben Sie Lob, Kritik, Wünsche, Forderungen oder möchten Sie sich selbst vielleicht als Ehrenamtliche(r) einbringen? Schreiben Sie gerne an kontakt@bvbc.de!