Der BVBC hat einen Brief an die verhandelnden Parteien gesendet, in dem er die Dringlichkeit einer Reform des Steuerberatungsgesetzes zur Stärkung selbstständiger Bilanzbuchhalter*innen betont.
In dem Schreiben bezieht sich der BVBC auf den von der EU-Kommission angemahnten Reformbedarf und hebt hervor, dass eine zeitgemäße Befugniserweiterung Grundrechte wahrt und gleichzeitig Unternehmen eine professionelle, aber weniger bürokratische Betreuung ermöglicht.
Das Schreiben im Wortlaut (hier auch als PDF):
Reform des Steuerberatungsgesetzes: Grundrechte wahren, Wirtschaft entlasten und Steuerauf-kommen sichern
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Blick auf die aktuell stattfindenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD – die maßgeblich die wirtschafts- und steuerpolitischen Leitlinien der kommenden Legislatur prägen werden – möchten wir Sie im Namen des Bundesverbands der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) eindringlich darum bitten, eine Reform des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) explizit in den Koalitionsvertrag aufzunehmen.
In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass eine Änderung des StBerG nicht nur angebracht, sondern für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und für Rechtssicherheit dringend erforderlich ist. Insbesondere die folgenden Punkte verdeutlichen, warum eine zeitgemäße und angemessene Befugniserweiterung für Bilanzbuchhalter*innen und andere selbstständige Finance-Fachkräfte zwingend geboten ist:
Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission
Die EU-Kommission hat ein entsprechendes Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet (Nr. 2018/2171) und hierbei moniert, dass die bestehenden Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater*innen in ihrer derzeitigen Fassung unverhältnismäßig und inkohärent sind. Viele Tätigkeiten, die auch qualifizierte Bilanzbuchhalter*innen und andere selbstständige Finanz-Fachkräfte ausüben könnten, sind ausschließlich den steuerberatenden Berufen vorbehalten. Dies widerspricht jedoch sowohl dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch den in Europa geltenden Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln.
Bewährte, aber ungenutzte Expertise
Selbstständige Bilanzbuchhalter*innen und Steuerfachwirt*innen erwerben durch ihre anspruchsvollen Fortbildungs- und Prüfungsordnungen nachweislich fundierte steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Diese kommen in Unternehmen (bei Angestelltenverhältnissen) ohnehin täglich zum Einsatz, doch bei selbstständiger Ausübung sind die Befugnisse nach dem StBerG nur sehr begrenzt. Viele betriebsnahe und zugleich weniger komplexe Tätigkeiten – etwa die Erstellung und Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldung oder das Einrichten der Buchhaltung – dürfen sie nicht übernehmen. Selbst kleinere Unternehmen sehen sich so gezwungen, auf die ohnehin ausgelasteten Steuerkanzleien zurückzugreifen oder ihre Vorgänge selbst zu erledigen, was wiederum die Gefahr fehlerhafter Abgaben erhöht.
Verkehrsfähigkeit und Fachkräftemangel
Schon seit Jahren klagen gerade kleinere und mittlere Kanzleien über Fachkräftemangel und Überlastung. In der jüngeren Vergangenheit haben immer mehr Steuerberater*innen ihre Mandate gekündigt, weil sie den Ansturm nicht mehr bewältigen konnten. Eine Befugniserweiterung für zertifizierte und geprüfte Bilanzbuchhalter*innen würde hier rasch und wirksam Abhilfe schaffen und gleichzeitig das Steueraufkommen sichern. Denn es ist wirtschaftlich wie steuerlich nicht zielführend, dass gut ausgebildete Fachkräfte in der Praxis massiv eingeschränkt werden, obwohl sie alle Voraussetzungen besitzen, um Entlastung zu schaffen.
Rechtssicherheit und Verbraucherschutz
Wir möchten betonen, dass sich unsere Forderungen keineswegs gegen Steuerkanzleien richten, sondern den Schutz der Allgemeinheit, den Anspruch der Unternehmen auf kompetente Beratung und die nachhaltige Sicherung des Steueraufkommens gewährleisten wollen. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung von selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit (bei gleicher Qualifikation) Art. 12 Abs. 1 GG widerspricht.
Zudem hat die EU-Kommission betont, dass gewerbliche Unternehmen keiner so weitreichenden Reglementierung bedürfen wie Endverbraucher*innen, da sie – anders als Verbraucher*innen im privaten Bereich – über die nötige Fach- und Entscheidungskompetenz verfügen, ihre Dienstleister*innen angemessen zu bewerten.
Notwendige Reformschritte
Der BVBC fordert daher konkret:
- Die Herauslösung der Erstellung und Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldung aus den Vorbehaltsaufgaben.
- Die Erlaubnis zur Einrichtung der Buchführung und Lohnbuchhaltung.
- Die Erlaubnis zur Erstellung einer Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 EStG.
- Die Erlaubnis zur Durchführung vorbereitender Abschlussarbeiten.
- Die Erlaubnis zur – selbstständigen und ohne Umweg über Steuerkanzleien – Erstellung von Bilanzen (für Betriebe in der Größenordnung von § 267 Abs. 1 HGB).
Angesichts der vor uns liegenden wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen ist es wichtiger denn je, verlässliche und ausgewogene Bedingungen zu schaffen, die den Unternehmen ebenso wie dem Staatshaushalt zugutekommen. Eine effiziente, fachlich fundierte und rechtskonforme Buchhaltung leistet einen unverzichtbaren Beitrag zum Steuervollzug und zur Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland. Mit einer maßvollen Reform des StBerG stärken Sie nicht nur den Mittelstand, sondern nehmen auch die Forderung der EU-Kommission nach einem kohärenten und verhältnismäßigen Rechtssystem ernst.
Wir appellieren daher an Sie, sich während der Koalitionsverhandlungen für eine entsprechende Reform des StBerG einzusetzen und so zum wirtschaftlichen Aufschwung beizutragen – im Sinne der Unternehmen, der Fachkräfte und nicht zuletzt im Sinne einer fairen Wettbewerbssituation in Europa.
Für Rückfragen oder einen vertiefenden Austausch stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung und senden Ihnen bei Bedarf detaillierte Stellungnahmen aus unserem Verband zu.
Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffen, dass Sie diese wichtige Thematik in die Koalitionsverhandlungen einbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Kenan Häberle
Geschäftsführer